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Witzigmann, Eckart u.a.: Tantris

Es gibt eine Reihe deutscher Köche, deren kulinarisches Gesamtwerk so außergewöhnlich ist, dass es sich lohnt, ihnen ein Kochbuch zu widmen. Aber Restaurants, in denen nicht nur ein Küchenchef Besonderes erreicht hat, sondern die selber legendär sind, gibt es nur wenige. Das Tantris ist ohne Diskussion eine solche kulinarische Institution. Es ist – ohne Übertreibung – einer der Ausgangspunkte der Entwicklung der deutschen Spitzenküche der letzten Jahrzehnte. Das Buch Tantris des Callwey-Verlags versucht den großen Bogen schlagen, von der Gründungsgeschichte des Restaurants in die Jetzt-Zeit. Es enthält 50 Rezepte der drei bisherigen Küchenchefs des Tantris. Diese nehmen nicht mal die Hälfte der 224 Buchseiten ein. Das macht schon deutlich, dass es um mehr geht, als Rezepte. Das Buch erscheint zum unrunden 43. Bestandsjahr des Tantris. Ist es ein großer Jubiläumsband und kommt somit drei Jahre zu spät oder sieben Jahre zu früh? Eigentlich sollte das Erscheinungsdatum nichts über dessen qualitativen Anspruch eines Buchs aussagen.

Zunächst bringt das Tantris-Buch das einmalige Design des Restaurants zwischen zwei rote Tantris-rote Buchdeckel. Besonders gut gelingt dies auf der typograhischen Ebene. Nicht nur, dass die Tantris-Schriftart für die Überschriften im Buch gewählt wurde, auch die Typographie der versetzten Worte wird übernommen. Hinzu kommen zahlreiche Fotos des Gebäudes und des Gastraums aus früherer und heutiger Zeit. Das Ganze hat eine  zeitlose Design-Anmutung. Das Buch hätte sowohl heute, als auch vor 20 Jahren hätte erscheinen können. Es wirkt optisch modern und gleichzeitig zeitlos. Somit ist die Verbindung zur Wirkung des Tantris-Gastraums gelungen.

Inhaltlich beginnt das Buch mit einem Text des heutigen Geschäftsführers Felix Eichbauer, indem er seine innige Beziehung zu dem von seinem Vater gegründeten Restaurant beschreibt. Ob es daran liegt, dass die Eichbauers Bauunternehmer sind, oder nicht, jedenfalls nimmt die Beschreibung der Architektur nicht nur in diesem, sondern auch in weiteren Texten breiten Raum ein. Dazu gehört ein Text von Architekt Justus Dahinden und in gewisser Weise auch der Aufsatz von Gerhard Matzig, dem Architekturkritiker der Süddeutschen Zeitung. Letzterem gelingt ein atmosphärisch dichter Text, der mit den Fabeltieren am Restaurant-Eingang beginnt und die Verbindung zum Service schafft. Dessen Mitarbeiter beschreibt er ebenso wie die Phantasiefiguren aus Beton als Schwebewesen. Wie Menschen die architektonische Wirkung eines Raums verlängern können, wird in diesem Text deutlich. Dies gilt offenbar nur für den Gastraum. Im Hinblick auf die kulinarische Wirkung der Tantris-Küche gibt es leider keinen ebenbürtigen Text.

Die kulinarische Bedeutung soll ein Text von Wolfram Siebeck untermauern. Die Gründung des Tantris belegt er mit den Begriffen „Kulturrevolution“ und „Wunder“. Worin jetzt aber genau das Wunder und die Kulturrevolution besteht, warum ausgerechnet ein Projekt wie das Tantris – nach Anlaufschwierigkeiten – erfolgreich wurde, arbeitet er dann aber nicht heraus. Gerade hier hätte ein so erfahrener Kulinarik-Schreiber wie Siebeck mehr Einordnung liefern können. Warum zudem sein Artikel aus der Wochenzeitung DIE ZEIT aus dem Jahr 1975, in dem er die „gute Küche“ als neue Mode der Intellektuellen beschreibt und darlegt, wie schwer sich viele Besucher damals mit der Gourmetküche von Eckart Witzigmann taten, als Nachdruck in kaum lesbarer Größe und dann noch von einer verknitterten Vorlage ins Buch gekommen ist, ist ein Rätsel. Eigentlich sagt dieser alte Siebeck-Text viel mehr über die Bedeutung des Tantris als Initialzündung für die Gourmet-Küche in Deutschland aus als sein aktueller. 

Interessant zu lesen, ist ein Interview mit der legendären Tantris-Sommelière Paula Bosch und ihrem Nachfolger Justin Leone. Ihre Aussagen sind zugespitzt und auf den Punkt: Paula Bosch urteilt, dass Deutschland unterhalb des Drei- und Zwei-Sterne-Levels nur ein Viertel der Weinkellner den Titel Sommelier überhaupt verdient habe. Außerdem sieht sie den Sommelier in der wichtigeren Position zwischen Küche und Gast als den Maître. Die Rolle als Schnittstelle hätten die Kellner mangels Weinwissen versäumt und die Entwicklung und Bedeutung des Weins im Restaurant nicht rechtzeitig erkannt. Starke Worte!

Im Rezeptteil des Buches werden dann insgesamt 50 Gerichte von Eckart WitzigmannHeinz Winkler und Hans Haas präsentiert. Die Klassiker, wie Kalbsbries Rumohr oder Hechtnockerln von Witzigmann fehlen ebenso wenig, wie extrem einfach wirkende Gerichte, wie Spargel in der Folie von Hans Haas. Der erfahrene Hobby-Koch erkennt sofort: es bedarf Top-Grundprodukte und exaktes Arbeiten, um das Tantris-Feeling auf den heimischen Tisch zu bringen, womit auch schon das Geheimnis des bis heute anhaltenden Erfolgs der Küche erklärt wäre.

Die Zubereitungshinweise sind teilweise unterschiedlich ausführlich, aber eigentlich müsste es jedem einigermaßen geübten Hobbykoch gelingen, die Gerichte umzusetzen. Auch in diesem Teil des Buches setzt die Typographie den Retro-Charme fort. Die Fotos der Gerichte ergänzen den Eindruck eines Kochbuchs im Stil der 80er Jahre: die Fotos spielen mit hellen und dunklen Bildteilen. Dunkle Unterlagen und manchmal sogar leichte Schatten, sowie teilweise im Vergleich zu modernen Food-Fotos geringere Schärfentiefe, machen die Optik des Rezeptteils aus. Allerdings ist es schade, dass in dem Buch nur auf einer Seite alte Fotos von Gerichten gibt. Hier wäre ein Rückblick in die kulinarische Optik sicher teilweise reizvoll gewesen.

Auch wenn die Rezepte einen kulinarischen Streifzug durch 43 Tantris-Jahre erlauben, ist es verwunderlich, dass kein Rezept näher vorgestellt wird. Welche Idee hatten Witzigmann, Winkler oder Haas, als sie eines der vorgestellten Gerichte entwickelten, warum kam es in die Auswahl von 50 Gerichten? Es wird noch nicht einmal das Entstehungsjahr der Kreationen genannt – auch wenn diese zeitlos gut sein mögen, lässt dies das Buch an dieser Stelle unvollendet wirken.

Außerdem werden Eckart Witzigmann, Heinz Winkler und Hans Haas jeweils nur mit einem verhältnismäßig kurzen Text vorgestellt. Diese Mini-Porträts beschränken sich auf die Schilderung ihres Werdegangs und die Nennung ihrer Auszeichnungen. Eine nähere Auseinandersetzung mit ihrem kulinarischen Verständnis, ihren Ideen oder gar ihrer Persönlichkeit fehlt. Auch das ist für den kulinarisch interessierten Leser zu kurz gegriffen.

Der letzte Bestandteil des Streifzugs durch die Geschichte des Tantris hingegen ist eine wunderbare Idee: ein komplettes Verzeichnis aller Mitarbeiter, die seit der Eröffnung dort tätig waren, inklusive aller Fahrer, Spüler und Aushilfen. Deutlicher kann man nicht zum Ausdruck bringen, wessen Arbeit die Entwicklung des Tantris von einem Restaurant zu einer kulinarischen Institution möglich gemacht hat.

Das Buch Tantris enthält eigentlich alles, was man sich von einer großen Rückschau erhofft: Texte über die Entstehungsgeschichte des Restaurants, seine Architektur und seine Gäste, einen Rückblick in eine Zeit, in der Gourmetrestaurants in Deutschland eine noch größere Ausnahmeerscheinung waren als heute, die Vorstellung prägender Mitarbeiter und natürlich Rezepte aus allen Epochen. Dies ist alles optisch schön umgesetzt. Die Qualität der Texte erreicht dieses Niveau nur teilweise. Vor allem ist es aber nicht nachvollziehbar, dass weder den Küchenchefs ein ausführlicher Text gewidmet wird, noch zumindest die Geschichte ihrer wichtigsten Kreationen ausführlicher vorgestellt werden.

Vor drei Jahren wurde das Tantris 40, in sieben Jahren wird es  50. Optisch hätte das Buch ein Jubiläumsband sein können. Inhaltlich ist das Erscheinen zum 43. Geburtstag das angemessene Datum.

Hans Haas, Heinz Winkler, Eckart Witzigmann: Tantris

Erscheinungsdatum: 17.09.2014
Ausstattung: Gebunden
Seitenanzahl: 224
ISBN: 978-3-7667-2108-2

Callwey-Verlag

Preis: 49,95 Euro

Auch erhältlich als Collectors Edition: - Opulent ausgestatteter “Tantris” Bildband, 240 Seiten, ca. 300 Farbfotos 25 x 28 cm, gebunden mit 3 Lesebändchen, Lieferung in hochwertiger Lackkassette, Exklusiv für diese Edition produziertes Tantris-Fabelwesen aus Beton à 10 x 15 x 5 cm, Drei Original-Fotografien von Joerg Lehmann à 25 x 28 cm, Limitierte Auflage von 400 Exemplaren, signiert und nummeriert.  Preis: 495 EUR.

Das Rezensionsexemplar wurde uns freundlicherweise vom Callwey-Verlag zur Verfügung gestellt.

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