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Raue, Tim, Bosch, Paula; mit Jaeger, Michael: Deutsche Weine deutsche Küche

Eine Rezension von Restaurant-Ranglisten.de

Tim Raue und Paula Bosch
Coq au Vin
Bienenstich

Es gibt einige Kochbücher, in denen es nicht nur ums Essen geht, die Rezepte mit Weinempfehlungen paaren. Und es gibt Weinbücher, die auch Empfehlungen für passende Speisen geben. Meist steht entweder das Eine oder das Andere im Vordergrund.

Das Buch von Paula Bosch und Tim Raue will da einen Schritt weiter gehen: Es widmet sich dem Thema Wein und Winzer wesentlich intensiver als wahrscheinlich jedes andere Kochbuch auf dem deutschen Markt. Dabei konzentriert es sich auf deutsche Weinerzeuger. Dazu passend ist der Fokus der Rezepte gewählt, der auf der Neuinterpretation klassisch deutscher Gerichte liegt. Diese thematische Eingrenzung, die viel inhaltliche Tiefe verspricht, hat es so noch nicht gegeben.

Paula Bosch und Tim Raue - eine profilierte Kombination

Die Kombination Paula Bosch und Tim Rau verspricht eine profilierte Umsetzung dieser Buchidee. Zweifelsohne ist Paula Bosch eine der bekanntesten Sommelièren Deutschlands. Auch publizistisch hat sie einige Erfahrung, sie schrieb jahrelang für das Magazin der Süddeutschen Zeitung Weinempfehlungen. Tim Raue, heute ebenfalls Autor für das SZ-Magazin, ist einer der umtriebigsten deutschen Spitzenköche. Vor einigen Jahren hat er sich selbständig gemacht und durch diverse Beratungsengagements konnte er inzwischen sein Portfolio an Küchenstilen deutlich erweitern. Während sein Stammhaus für die Interpretation asiatischer Gerichte steht, hat er mit dem La Soupe populaire Erfolg durch einen neuen Blick auf die deutsche Küche. Die angebotenen Gerichte bilden nämlich die Vorlage für dieses Buch. Entsprechend wird der dortige Küchenchef, Michael Jaeger, sowohl im Text des Buchs als auch im Impressum mit einem Foto gewürdigt. 

Für das Buch hat Paula Bosch für jedes deutsche Weinanbaugebiet die aus ihrer Sicht interessantesten Weingüter ausgewählt. Diese werden mit Porträts vorgestellt. Hinzu kommen Verkostungsnotizen einiger Weine des jeweiligen Gutes, die dann später im Rezeptteil wieder als Empfehlungen zu den Gerichten auftauchen. Dabei hat Paula Bosch eine Mischung aus arrivierten Top-Erzeugern, die jedem Weinfreund ein Begriff sind, und weniger gängigen Namen zusammengestellt. Das macht die Weinporträts auch für Leser interessant, die durchaus mit deutschen Weinen vertraut sind, da die ein oder andere Überraschung dabei ist.

Den wichtigeren Weingütern steht eine Doppelseite zur Verfügung, für die anderen ist es eine Seite. Die Textqualität der kurzen Porträts ist leider schwankend. Im schlechten Fall sind sie allgemein und geben wieder, was man etwa auch auf der Website des Weinguts oder in gängigen Führern lesen kann. Offensichtlich kennt Paula Bosch diese Güter nicht so gut, wie andere. Denn die Texte über die klassischen Spitzenweingüter und Aufsteiger der vergangenen Jahre sind ihr wesentlich besser gelungen. Es sind kleine, fast liebevolle Porträts. Die meist beschreiben, wie Paula Bosch sich den Weinen oder den Winzern persönlich genähert hat.

Weinteil hinterlässt ein diffuses Eindruck

Der Weinteil des Buchs steht vor einem kaum zu überwindenden konzeptionellen Problem: Vermutlich wird kein Leser die Winzer-Porträts von A bis Z und nacheinander durchlesen, sondern man wird mal durch ein Anbaugebiet stöbern, mal einzelne Texte lesen, wenn man den Weinen der entsprechenden Gütern begegnet oder ein Rezept aus dem Buch kochen und etwas mehr zu dem empfohlenen Wein und seinen Erzeuger wissen möchte. Da stellt sich die Frage, welche Fachinformationen müssen wo im Buch erklärt werden. Das Gewicht dieser Frage wird verschärft durch eine zweite Frage, nämlich, wie viel Wissen über (deutschen) Wein und seine Winzer kann man beim Leser voraussetzen? Diese konzeptionelle Problematik jedes Weinbuchs hat man leider nicht einheitlich geklärt. Auf dem Buchrücken heißt es, das Buch sei für Weinlaien, Weinkenner, Weinmuffel und Weinfans. Das hat eine Konsequenz: Mal werden Begriffe und Techniken anschaulich erklärt. Etwa die Qualitätspyramide des VDP, was eher als Einsteigerwissen für Weintrinker eingestuft werden kann, oder eine kurze Vorstellung der wichtigsten Rebsorten. In den Texten über die Winzer werden aber manchmal fachliche Begriffe oder Informationen über Bewertungen gängiger Weinführer eingeführt, als müsse man sie kennen. Der zu Beginn noch gut "abgeholte" Laie wird dann eben an solchen Stellen weniger verstehen, wovon genau die Rede ist. Es entsteht der Eindruck, als wäre je nach den noch zur Verfügung stehenden Zeilen verfahren worden. Mit anderen Worten: die Informationsdichte in den Porträts ist sehr unterschiedlich.

Diese gewisse Unwucht in der Ansprache des Lesers wird ergänzt durch den Eindruck, dass der Weinteil einigermaßen oberflächlich redigiert worden sein muss. So gibt es in einigen Texten stilistische Ungelenkigkeiten. Hinzu kommen einige geographische Fehler: die bayerische Stadt Aschaffenburg wird dem Weinanbaugebiet Baden zugeschlagen (gemeint war wohl Offenburg), Bacherach liegt - laut Text - am Rhein „unmittelbar gegenüber“ von Walluf. Auch die Landkarten, die am Anfang der Kapitel zu den Anbaugebieten die Lage der besprochenen Betriebe anzeigen, sind teilweise fehlerhaft. Dass die Maßstabstreue fehlt und die Entfernungen einiger Weingüter zueinander nicht stimmig dargestellt sind, mag noch durchgehen. Aber, dass das Weingut Peter Jakob Kühn auf der Rheingau-Karte auf die linke Seite des Flusses verschoben wurde und damit eigentlich zu Rheinhessen zählen müsste, hätte eigentlich auffallen sollen. Da scheint leider manches in diesem Teil des Buches mit heißer Nadel gestrickt worden zu sein.

Die Verkostungsnotizen von Paula Bosch sind durchweg angenehm zu lesen und deutlich lebendiger als mancher Text über die Weingüter. Beschrieben werden nur wenige ältere Weine und weitgehend aktuelle Jahrgänge. Transparent wird im Buch dargelegt, das die Weine weitgehend von den Winzern ausgewählt und zur Verfügung gestellt wurden. Das gibt den Verkostungsnotizen leider eine relativ kurze Halbwertszeit, weil sie spezifisch zu den jeweiligen Weinen passen. Vielleicht hätten einige Weine auch etwas losgelöster vom Jahrgang beschrieben werden können, vor allem wenn es um solche mit höherem Lagerpotenzial geht.

Als Fotos für den Weinteil wurden die Weinflaschen der jeweiligen Winzer vor Beton- oder Holzflächen mit viel Kontrast fotografiert. Die Flaschen reflektieren oft ein recht helles Licht, sie strahlen regelrecht – ein modern-eleganter Look entsteht. Bei den Bildern der Winzer und ihrer Weingüter wurde allerdings meist auf Fotos, die von den Weingütern zur Verfügung gestellt wurden, zurückgegriffen. Darunter leidet ein wenig die Einheitlichkeit der Bildsprache.

Der Eindruck, den die ersten 217 Seiten des Buches hinterlassen, ist somit uneinheitlich. An mancher Stelle fehlt einfach die textliche Sorgfalt und konzeptionelle Schärfe, an wen sich die Weinbeschreibungen richten, auf der anderen Seite steht eine Reihe von gelungen und persönlichen Texten, die man gerne liest.

Rezepte, die sicher gerne nachgekocht werden

Auf Seite 218 beginnt dann der Rezeptteil. Dafür haben sich Tim Raue und Michael Jaeger nicht ganz an die Vorgabe des Buchtitels „Deutsche Küche“ gehalten  - so ist auch eine Coq au Vin-Interpretation dabei, aber wer will das bei guten Rezepten so eng sehen? Es gibt auch ein aufgefrischtes Rezept für den Klassiker Krabbencocktail, der als ein „Sehnsuchtsgericht“ früherer Zeiten beschrieben wird, eine Hühnersuppe, die mit Galgant aufgepeppt wird, Spargel, interessant mit Trauben kombiniert, Spanferkelhaxe, die das klassische Berliner Eisbein in eine verdaubare Portion übersetzt oder Rote Grütze, die auch aus Granité und Veilchensahne-Espuma besteht. Vieles klingt interessant und macht Lust, es auszuprobieren. Das lohnt sich, wie einige Versuche für diese Rezension gezeigt haben. So mancher Leser wird sicher nicht nur ganze Gerichte aus dem Buch nachkochen, sondern auch einige der Teilrezepte. Wer Beispielsweise Pellkartoffeln & geräucherte Butter nachgekocht hat, wird auch bei anderen Gerichten immer wieder gern Kartoffeln mit geräucherter Butter verfeinern wollen, um nur ein Beispiel zu nennen. Das Buch hat also einen hohen Alltagsnutzen.

Die Rezepte haben Pfiff, nicht selten durch den Einsatz aromatisierter Öle und weniger gängiger Gewürzkombinationen. Die Zubereitungshinweise sind gut und nachvollziehbar geschrieben. Daher wird das Buch sicher bei vielen Käufern nicht im Schrank verstauben, sondern häufiger zum Einsatz kommen, zumal die Speisen wirklich schön von Joerg Lehmann fotografiert wurden. Die Teller stehen meist auf relativ rauen Stoffflächen. Das transportiert gut den Vintagelook des La Soupe populaire.

Am Anfang jedes Rezepts steht ein kurzer Text, der den Zugang zum Gericht und/oder die Idee der Neuinterpretation kurz erklärt. Es bleibt unklar, aus welcher Feder diese Texte stammen. Da ist mal von Besuchen als „kleiner Junge“ im KaDeWe die Rede, was auf Tim Raue hindeutet und mal von Oma Jaeger und einem Rezept rheinischer Heimat, was zu Michael Jaeger passen würde. Aber alles ist in Ich-Form geschrieben. Diese Erzähler-Wechsel zeigen eine erneut unnötige konzeptionelle Unschärfe der Texte.

Am Ende jedes Rezepts wird dann als „Paulas Tipp“ die Weinempfehlung präsentiert. Die Verkostungsnotiz wird, meist leicht gekürzt, aus dem vorherigen Teil wiederholt. Hier findet sich dann auch ein Verweis auf das Porträt des jeweiligen Erzeugers. Warum umgekehrt bei den Verkostungsnotizen nicht auf das Rezept verwiesen wird, ist unverständlich.

Am Ende erscheint der Rezeptteil ausgereifter, besser lektoriert und konzeptionell geschlossener, als der Weinteil. Daher wird die konzeptionelle Idee, deutsche Weine und deutsche Gerichte zueinander zu bringen, auf vielen Esstischen aufgehen – dank dieses Buches. Als Buch hätte die Grundidee etwas mehr Präzision in den Details verdient.

Das Rezensionsexemplar wurde vom Verlag zur Verfügung gestellt.

Weitere Informationen:

  • Paula Bosch, Tim Raue: Deutscher Wein Deutsche Küche
  • 320 Seiten
  • Callwey Verlag
  • ISBN: 978-3766721747

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Tim Raue

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Was?
Chef de Cuisine

Wo?
Tim Raue in Berlin

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