Andreas Saul: "Köche müssen nicht jeden Tag zwei Gerichte posten"

Obwohl das Bandol sur Mer in der quirligen Torstraße in Berlin eines der Sternerestaurants ist, das am wenigsten dem klassischen Bild entspricht, macht es besonders wenig Aufhebens um sich. Küchenchef Andreas Saul ist nicht bei Instagram und sein letztes Posting bei Facebook ist mehrere Jahre alt. Von Social Media möchte er - anders als viele andere Sterneköche - also nicht viel wissen. So gibt es kaum ein Bild des Restaurants oder seiner Gerichte im Netz. Das sei teilweise Absicht, teilweise nicht, sagte er im Interview mit Restaurant-Ranglisten.de. Er persönlich wolle ohne Hype im Netz auskommen. „Wir versuchen, etwas Geheimnisvolles um das Restaurant zu machen und wollen nicht alles preisgeben.“ Die Gäste sollen sich - so meint Andreas Saul - vor Ort ein Bild von der Küche machen und nicht im Internet. „Ich bin nicht der Meinung, dass Köche Modell-Fotos brauchen, oder jeden Tag zwei neue Gerichte posten müssen“. Aber – das gibt Andreas Saul auch offen zu – es sei auch etwas Faulheit bei ihm dabei, dass er so wenig im Netz präsent sei.
Das Interview mit Andreas Saul im Audio
Restaurant-Ranglisten_Interview_mit_Andeas_Saul.mp3





Er wolle „keinen Tamtam um sicher machen“, sondern seine Gerichte in den Mittelpunkt stellen. Die seien das Ergebnis einer Teamleistung von sechs Personen und keine „Andreas-Saul-Show“. „Ich finde es schade, dass vieles immer nur an einer Person festgemacht wird. Das wollen wir nicht machen.“ Natürlich ist es in der heutigen Zeit auch ein Nachteil, wenn ein Restaurant durch seine Webpräsenz, oder den Auftritt in den sozialen Netzwerken nicht darstellt, welche Küchenstilistik die Gäste erwartet. Dass deswegen mancher nicht den Weg ins Bandol sur Mer finde, nehme er dabei in Kauf, sagt Andreas Saul.
Andreas Saul will seine Gäste mit ungewöhnlichen Kombinationen überraschen, die teilweise „schräg und komisch klingen“, aber doch am Ende stimmig seien. Er möchte, dass sich die Speisekarte spannend liest. Dennoch er erwähnt auch nicht alle Bestandteile des Gerichts in der Speisekarte, um dem Gast auch noch kleine Überraschungsmomente zu bieten. Bei der Produktauswahl konzentriert er sich aus „moralischen Gründen“ auf regionale Produkte, allerdings ohne großes Aufhebens darum zu machen.
Die Atmosphäre im Bandol sur Mer ist sehr locker – gerade für ein Sternerestaurant. Das Lokal war mal die erste Döner-Bude im ehemaligen Ost-Berlin und diese Vergangenheit sieht man den Räumlichkeiten heute auch noch an. Darauf ist Andreas Saul „stolz“, wie er sagt. Das Restaurant zeichne aus, dass es nicht nach der Norm gehe und trotzdem professionell gearbeitet werde. „Heutzutage geht es um die eigene Überzeugung und das man versucht, so hochwertig wie möglich zu arbeiten.“ Der Stern, den das Bandol sur Mer im Guide Michelin 2016 erstmals erhalten hat, sei für ihn zwar eine Überraschung gewesen, aber auch ein gutes Beispiel dafür, dass diese Art der Gastronomie nicht spießig sein müsse und es um die Qualität der Speisen und Getränke gehe.
Andreas Saul hatte 2010 nach seiner Zeit als Sous Chef im Rutz im Bandol sur Mer zunächst ohne Sterne-Ambition begonnen - eigentlich - so erzählt er in dem Interview wollte es beruflich etwas langsamer angehen lassen. Nachdem er dort die Küchenchefstelle übernommen hatte, entwickelte er die französische Bistro-Küche nach und nach weiter zum heutigen Menükonzept. Mit den wachsenden kulinarischen Ambitionen wuchs auch die Hoffnung auf einen Stern, aber zwischenzeitlich habe er den Eindruck gehabt, dass sich in der Location dies nicht umsetzen lasse. Dann habe er viel unverkrampfter und freier gekocht. „Zwei Jahre später ist es dann passiert“, freut sich Andreas Saul noch heute. Der Stern sei also „kein Zufallsprodukt“, aber er habe auch nicht „auf Krampf“ daraufhin gearbeitet. Für ihn ist es wichtig, nicht zu verkrampfen, betont Andreas Saul: „Viele Kollegen, die auf dem Niveau arbeiten, nehmen es zu ernst und machen sich selbst dadurch kaputt. Wenn ich freihabe, versuche ich die Zeit zu genießen und den Mitarbeitern zu vertrauen, wenn man mal nicht da ist, um den Druck nicht zu hoch zu setzen. Dadurch ist das Team entspannter und die Leistung wird besser.“
Der Stern hat auch für das Bandol sur Mer gleichwohl eine wirtschaftliche Bedeutung und das Thema Auslastung spielt für das kleine Restaurant ebenfalls eine wichtige Rolle. Der wirtschaftliche Druck bleibe nicht aus, gibt Andreas Saul zu. Um wirtschaftlich zu sein, müsse das Restaurant zu 90 Prozent ausgelastet sein. Aber das Bandol sur Mehr funktioniere. Alles andere wäre „heulen auf hohem Niveau“, sagt der Sternekoch.
Ein aktueller Bericht über das Bandol sur Mer
Restaurant Bandol sur Mer
"Das Bandol sur Mer bietet ganz authentisches Casual Fine Dining. Bei aller Lockerheit heißt das nicht, dass hier nachlässig gearbeitet würde. Die Küche von Andreas Saul genügt ausgewachsenen Sterneansprüchen. Seine Gerichte sind sehr stimmig konstruiert. Die meist alltäglichen bzw. regionalen Produkte sind auf interessante Art und Weise miteinander kombiniert. Alles ist präzise aufeinander abgestimmt. Das führt zu spannenden, durchaus ungewöhnlichen Kombinationen, die reizvoll, aber nicht überfordernd sind. Die Gerichte eigenen sich sowohl zum konzentrierten Essen, als auch zum eher entspannten Genuss. Der Stern ist also als wohlverdient anzusehen, über einige Gerichte, vor allen über den Hauptgang, hätte ich mich auch in einem Zwei-Sternerestaurant nicht beschwert. Für mich hat das Bandol sur Mer also nun ein klares Profil: modern, aber nicht angestrengt oder anstrengend, oder gar hipsterisiert und dennoch überraschend spannend." (Juli 2019)
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Das Se7en Oceans will den Gast mit auf eine Reise nehmen
In Hamburg hat nicht nur das Haerlin einen wunderschönen Blick auf die Binnenalster, sondern auch das mit einem Michelin-Stern ausgezeichnete Se7en Oceans. Es befindet sich in der Europa-Passage, einem Ort, an dem ein Gourmet-Restaurant nicht unbedingt erwartet. Aber der Ausblick auf den Jungfernstieg und die Binnenalster ist dafür umso besser.
Seit dem Jahr 2014 ist Frédéric Morel dort Küchenchef. Der Bretone baut in seine Kompositionen immer wieder Elemente der Küche seiner Heimat ein. Im Mittelpunkt der Menüs stehen vor allem die Gerichte mit Fisch und Meeresfrüchten. Dazu gehört es auch, vermeintlich einfache, landestypische Gerichte und Kombinationen in den Fine-Dining-Kontext zu übersetzen. Aber auch bei den Desserts verbindet er immer wieder Produkte auf ungewöhnliche Weise miteinander.
Zu einem gut funktionierenden Gourmet-Restaurant gehört auch ein entsprechender Service. Zuletzt gab es im Se7en Oceans mehrere Wechsel, Thomas Andrew war nach einem Jahr auf die anderer Seite der Alster, ins Haerlin gewechselt und danach gab keine offizielle Nachfolge. Seit dem Spätsommer hat das Se7en Oceans gleich ein Doppel der Öffentlichkeit präsentiert, mit dem wieder Kontinuität einziehen soll: Thomas Christian Schreiber fungiert als Sommelier und Restaurantleiter. Lisa Maria Huber ist seine Stellvertreterin.
Das Comeback des Jahres
Ende 2014 wurde die Karriere von Nils Henkel als des Zwei-Sternekoch unfreiwillig gestoppt. Der Pachtvertrag der Hotelgruppe Althoff lief aus und mit dem Eigentümer des Hauses gab es keine Einigung über eine Verlängerung. Das bedeutete auch das Aus für das Gourmetrestaurant, das inzwischen den Namen von Nils Henkel trug. Bekannt geworden war es unter Dieter Müller in den 90er Jahren. Seit 1997 gehörte auch Nils Henkel zum Team, als Sous Chef, später dann als Küchenchef. Nachdem Dieter Müller Lerbach verlies, entwickelte Nils Henkel seinen eigenen Küchenstil. Er nannte ihn Pure Nature. Gemüse und Kräuter stellte er ins Zentrum seiner Küche. Er war damit einer der ersten deutschen Sterneköche, der ein rein vegetarisches Menü anbot.
Nils Henkel machte sich dann 2015 selbständig. Er war u.a. bei zahlreichen Events als Gastkoch vertreten, coachte junge Köche in internationalen Wettbewerben und veranstaltete Kochkurse. Er lies allerdings keinen Zweifel daran, dass er gerne wieder in einem Restaurant als Küchenchef arbeiten wollte. Dies kann er nun auf der Burg Schwarzenstein. Seit Anfang Februar hat dort das Gourmetrestaurant wieder geöffnet, das jetzt auch seinen Namen trägt. Wir sprachen wenige Tage nach der Eröffnung mit Nils Henkel.