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Interview mit Nils Henkel zum Start auf Burg Schwarzenstein

Das Comeback des Jahres

Ende 2014 wurde die Karriere von Nils Henkel als des Zwei-Sternekoch unfreiwillig gestoppt. Der Pachtvertrag der Hotelgruppe Althoff lief aus und mit dem Eigentümer des Hauses gab es keine Einigung über eine Verlängerung. Das bedeutete auch das Aus für das Gourmetrestaurant, das inzwischen den Namen von Nils Henkel trug. Bekannt geworden war es unter Dieter Müller in den 90er Jahren. Seit 1997 gehörte auch Nils Henkel zum Team, als Sous Chef, später dann als Küchenchef. Nachdem Dieter Müller Lerbach verlies, entwickelte Nils Henkel seinen eigenen Küchenstil. Er nannte ihn Pure Nature. Gemüse und Kräuter stellte er ins Zentrum seiner Küche. Er war damit einer der ersten deutschen Sterneköche, der ein rein vegetarisches Menü anbot.

Nils Henkel machte sich dann 2015 selbständig. Er war u.a. bei zahlreichen Events als Gastkoch vertreten, coachte junge Köche in internationalen Wettbewerben und veranstaltete Kochkurse. Er lies allerdings keinen Zweifel daran, dass er gerne wieder in einem Restaurant als Küchenchef arbeiten wollte. Dies kann er nun auf der Burg Schwarzenstein. Seit Anfang Februar hat dort das Gourmetrestaurant wieder geöffnet, das jetzt auch seinen Namen trägt. Wir sprachen wenige Tage nach der Eröffnung mit Nils Henkel.

Restaurant-Ranglisten.de: Die Burg Schwarzenstein ist erst Ihre zweite Stelle als Küchenchef. Von 1997 bis Ende 2014 haben Sie im Schloss Lerbach gearbeitet. Das ist ungewöhnlich in der Branche. Wie fühlt sich da der Neuanfang an? 

Nils Henkel: Das ist natürlich eine Umstellung. Wenn man so lange an einem Ort gearbeitet hat, erscheint einem alles Neue erstmal fremd, aber das ist eine Frage der Zeit. Wir haben die Küche neu organisiert und jetzt grooven wir uns so langsam ein. Ich freue mich, nach den zwei Jahren, in denen ich freiberuflich gearbeitet habe, jetzt wieder den Job zu machen, den ich liebe.  

Was hat Ihnen gefehlt, in den vergangenen zwei Jahren, als Sie selbständig waren? 

Man entwickelt sich nicht wirklich weiter und zehrt von den Ideen, die man in den Jahren zuvor hatte. Manchmal gab es konkrete Aufgaben und ich habe neue Gerichte entwickelt, aber man ist als Freiberufler nicht so im Fluss, wie als Küchenchef in einem Restaurant. Wenn man jeden Tag mit einem kreativen Team in der Küche steht und immer wieder neue Produkte vor sich hat, entwickelt man sich auch schneller weiter. Wir haben im Restaurant Lerbach jedes Jahr etwa 60 bis 80 Gerichte neu entwickelt und in der Selbständigkeit war das nur ein Bruchteil davon.  

Aber als Selbständiger haben Sie viel Neues gemacht. Das müsste doch auch seinen Reiz gehabt haben… 

Ich habe viele Dinge gemacht, die ich vorher nicht gemacht habe, von Beratung bis Produktentwicklung. Das war natürlich auch ein Sprung ins kalte Wasser. Die Selbstständigkeit hat viel besser funktioniert als ich erwartet habe und ich war natürlich auch flexibler für meine Familie da. Mir fehlte aber die Restaurant-Routine und das, was eigentlich Spaß macht. Die Entwicklungsarbeit in der Küche ist das, was mich antreibt und die fehlte mir. Darüber hinaus natürlich auch meine Gäste im Restaurant.

Sie bleiben auf Burg Schwarzenstein Ihrem Motto Pure Nature treu… 

Ja, aber nicht so plakativ. Pure Nature ist ein Stückweit Lerbach gewesen, das Konzept habe ich damals für Lerbach entwickelt und Lerbach ist mittlerweile Geschichte. Mein Küchenstil steht aber nach wie vor für eine naturverbundene Produktküche. Dafür kennt man mich und die Gäste haben auch eine gewisse Erwartungshaltung. Ich biete auf der Burg Schwarzenstein zwei Menüs an, Fauna & Flora. Im Menü Fauna gibt es Gerichte mit Fisch und Fleisch. Das Menü Flora ist ein vegetarisches Menü, die Fortsetzung meines Gemüsemenüs. Ich werde hier im Rheingau nach kleinen, regionalen Produzenten suchen und werde Ausschau nach alten Gemüsesorten halten, mit denen ich vielleicht noch nicht gearbeitet habe. Wir machen auf Burg Schwarzenstein sicherlich einige Dinge anders, aber es gibt keinen neuen Küchenstil. 

"Wir machen auf Burg Schwarzenstein sicherlich einige Dinge anders, aber es gibt keinen neuen Küchenstil."

Ihr Kochbuch Pure Nature war der Auftakt für das Konzept. Es ist 2010 erschienen. Damals waren Sie einer der wenigen, die Gemüse so klar in den Mittelpunkt gestellt haben. Inzwischen machen das doch viele und teilweise noch extremer als Sie. Einige legen sich strenge Regeln bezüglich der Regionalität auf, oder wollen bestimmte Produkte viel genauer erforschen – und manchmal fühlt man sich als Gast dann auch als Versuchskaninchen. Wie sehen Sie diese Entwicklung? 

Jeder soll natürlich soweit gehen, wie es ihm richtig erscheint. Ich möchte aber, dass die Küche für meine Gäste auch nachvollziehbar ist. Letztlich muss es eine Küche sein, die lecker ist und Freude macht. Ich bin nie derjenige gewesen, der knallhart regional war. Das ist sicherlich spannend, weil man dadurch auch auf abwegige Ideen kommt und Dinge auf den Teller bringt, die man sonst nicht auf dem Schirm hatte, aber ich möchte eine Küche machen, die vor allem Genuss ist. Daher verschließe ich mich nicht vor den Aromen der Welt. 

Helfen diese radikaleren Konzepte Ihnen trotzdem, weil sich dadurch die Gäste dem Thema Gemüse mehr öffnen? 

Auf jeden Fall. In Lerbach war der Anfang sehr schwierig, weil nur ein minimaler Anteil der Gäste das Gemüsemenü bestellt hat. Da haben wir anfangs viel produziert, was nicht gegessen worden ist. Aber das hat sich im Laufe der Jahre stark verändert, bis zu einem Anteil von 50 Prozent. Viele Gäste kamen in den ersten zwei Wochen allein des Gemüsemenüs wegen zu mir auf die Burg Schwarzenstein. Das freut mich und es hat in gewisser Weise auch eine politische Bedeutung. Wir essen alle viel zu viel Fleisch. Es ist wichtig, darüber nachzudenken, dass es auch extrem lecker sein kann, mal auf Fisch und Fleisch zu verzichten. Zu Hause esse ich auch nicht jeden Tag Fisch oder Fleisch, sondern nur zwei oder drei Mal in der Woche. Es muss um mehr Qualität und weniger um Masse gehen. Aber viele schaufeln sich die „Standardqualität“ der Massentierhaltung auf den Teller. Das muss aufhören, aber als Koch kann man leider nur einen kleinen Teil dazu beitragen. Wir bieten die Möglichkeit, auf hohem Niveau vegetarisch zu essen und die Gäste, für die wir kochen, sind da sehr aufgeschlossen.

Aber ist dieser politische Gedanke der Nachhaltigkeit nicht der Schritt, der auch zu mehr Regionalität führt? Suchen Sie sich jetzt auch Produzenten aus der näheren Umgebung?  

Das werde ich natürlich machen. Mit einigen Produzenten aus der Umgebung arbeite ich bereits zusammen, aber ich baue natürlich auch auf meine bewährten Partner. Da bin ich nicht dogmatisch. Ich bin mir sicher, dass ich in der Region viele interessante Produzenten finde, das ist eine Frage der Zeit. Jetzt kommt es erstmal darauf an, dass wir nach der Eröffnung die bereits hohe Qualität weiter steigern. Alles andere wird sich dann finden. Ich werde im Rheingau viele Winzer und kleine Produzenten besuchen und dann wächst die Regionalität weiter mit der Zeit, von Menü zu Menü. 

"Es waren schon einige Stammgäste aus Lerbach-Zeiten da, die gesagt haben, es war genauso gut, wie früher."

Die Burg Schwarzenstein ist so, wie es Lerbach war, ein Fine Dining Restaurant von klassischem Format. Auch auf dem Gebiet hat sich aber in den vergangenen Jahren viel verändert. Haben Sie nach der Schließung von Lerbach darüber nachgedacht, ob Sie sich auch ein ganz modern angelegtes Restaurant vorstellen können, oder wollten Sie lieber das klassische Gourmetrestaurant weiter bedienen? 

Nicht unbedingt. Auf hohem Niveau zu kochen stand und steht für mich ganz oben auf der Liste, aber es hätte auch etwas ganz Lockeres sein können. Ich habe lange überlegt, mich selbständig zu machen. Ich hätte mir ein einfaches, cooles Konzept vorstellen können, bei dem auch Fine Dining im lockeren Ambiente dazu gehört. Ich habe mir vieles durch den Kopf gehen lassen und bin da sehr offen gewesen. Aber die Selbstständigkeit war keine Priorität.

Nach außen sieht es für Sie schon nach Kontinuität aus: Lerbach war ein altes Gebäude im Grünen, in der Nähe einer Großstadt. Ähnliches gilt für Schwarzenstein. 

Ja klar, das fand und finde ich auch gut. Die Platzierung mitten in den Weinbergen ist sehr charmant. Ich fühle mich in der Natur auch wohler, als in der Stadt, wo ich keinen Kräutergarten vor der Tür habe und ich mir jede Blüte bestellen muss.  Ich habe nur positives Feedback bekommen, viele sagen, dass die Kombination von Henkel und Schwarzenstein perfekt passt und die Region freut sich, dass ich hier bin.

Wie sehen Sie dennoch den Einfluss der modernen Konzepte auf Ihren Bereich, denn die Gäste sind ja doch teilweise die gleichen? 

Es gibt natürlich Gäste, die lockere, urbane Konzepte mögen und es gibt Gäste, die eher das klassische mögen. Aber ich glaube, das wird immer mehr miteinander verschwimmen und wir bieten hier auf der Burg ja auch ganz verschiedene Konzepte an. Wir haben insgesamt drei Restaurants, unsere Grill- und Winebar ist sehr casual und bietet jedem etwas. Die Ansprüche der Gäste ändern sich. Viele wollen hohe Qualität in einem lockeren Rahmen, da ist es im Grunde egal, ob es ein schönes Restaurant auf einer Burg ist, oder ein Szenerestaurant in der Innenstadt. Die Qualität muss stimmen und man muss sich wohl fühlen. 

Jetzt in der Startphase muss sich sicher noch manches finden. Unabhängig von Sternen und Punkten, was sind Ihre Ziele für Burg Schwarzenstein? 

Das Wichtigste ist, optimale Qualität zu bieten. Wir haben ein tolles Team in Küche und Service und ich glaube, wir werden sehr schnell da sein werden, wo wir hinmöchten. Und was die Resonanzen der Gäste nach der ersten Woche betrifft, haben wir im Restaurant den richtigen Mix aus toller Küche, entspanntem Service und coolem Wohlfühlambiente. Es waren schon einige Stammgäste aus Lerbach-Zeiten da, die gesagt haben, es war genauso gut, wie früher. Da kann man doch schon ein wenig stolz sein.

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