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Restaurant des Monats

RÖSSLI, LINDAU, CH

 

Und wie sie sich gelohnt hat! Die Tagesfahrt ins zürcherische Lindau.   
Ende Januar, just als der Winter in Süddeutschland seinen Einstand gibt. Im Allgäu schneeregnet es unter jähen Windstößen. Das kann ja heiter werden. Der Schweizer Wettergott wertet meine Unkerei positiv und bestrahlt das kleine Dorf mit Sonne.
Wo eine Kirche und ein Gasthaus vorhanden sind, da lass ich mich ruhig nieder. Meine Begleiterin fährt weiter nach Zürich, holt mich auf dem Rückweg wieder ab. Ich habe eindeutig den besseren Teil erwählt und darf einen lukullischen Nachmittag im RÖSSLI verbringen.

 

 

Rolf Grob, in Winterthur geboren, einer der besten Köche in der Schweiz, durchgängig mit 16 Punkten bei Gault-Millau dotiert ? wo bitte ist der Michelintester? - hat in seinen Lehr- und Wanderjahren klassisch die Schweiz und Frankreich durchlaufen, fünf Jahre bei Alain Ducasse und Roger Vergé gekocht und ist heimgekehrt. Mit seiner Frau und einem Team von 10 Personen bespielt er seit 1996 das RÖSSLI, einen seit einem Jahr rekonstruierten Fachwerkbau, in der Schweiz Riegelhaus genannt. Ein behaglicher Stall für die hungrigen Reiter der Welt. Mit den Annehmlichkeiten der Neuzeit und dem Charme der Tradition belebt. Die Küche ist der sichtbarste Beweis. Vom Dorf-Bistro aus, sehr gemütlich für * Znüni, Zvieri und Gäste, die es legerer lieben als üblicherweise von Gourmets erwartet, kann das Treiben in der Küche verfolgt werden. Via Schaufenster, eine leibhaftige Kochschau.

 

 

 

Kein Induktionsherd, nein, der Rolls Royce der Herde dominiert den Raum, schick, modern, mit allen Schikanen, offenes Feuer wie in einem alten Kohleherd, betrieben mit Flüssiggas. Niedriggaren leicht gemacht, wenn man die Töpfe vom Hitzepunkt weg wohldosiert um Zentimeter an die Seite rückt. Der Herd ein einziger wunderbarer Wok.Das Gourmetrestaurant mit sieben runden Tischen, großzügig gestellt, edle Holzbestuhlung, schöne Böden. Eine elegante Fumoir-Lounge verführt mich beinahe, die Weinboutique sowieso. Der Freisitz vor dem Haus mit 45 Plätzen und einem Blick auf die imposante Kirche und ins Fachwerkambiente der nachbarschaftlichen Post lässt noch kalt, erweckt aber Vorfreude auf einen lauen Sommerabend. Heute genieße ich die Wärme des Restaurants. Vielversprechend mit seiner ?cuisine du soleil, la passion d?olive?, unverkennbar und eingestickt in die Küchenschürze.

 

 

 

Rolf Grob, ganz im Umkehrschluss zum Namen, kocht feinstimmig, sehr akzentuiert. Keine Hilfsmittel, kein Gebrauch von Pfeffer, mit mediterranen Gewürzen und Kräutern. Das ausgezeichnete Olivenöl aus der Provence - wer sagt denn, dass es ligurisch oder kretisch sein muss? - koste ich sozusagen als Apéro vollmundig und weich. Der Maître ist gänzlich ohne Verpflichtungen eines gastronomischen Hintergrundes in seinen Beruf hinein gewachsen. Gejobbt hat er in der Schulzeit, um sein ?Sackgeld? aufzubessern, und es hat ihm gefallen, in der Küche zu stehen, etwas zu schaffen. Eine Berufung wurde draus. Ob die Disziplin, die seine Kochkunst sublimiert, in den sportlichen Herausforderungen seines Hobbys, des Triathlons wurzelt, ist unwichtig, beides betreibt er mit größter Sorgfalt. Im charmanten Züridütsch philosophiert Grob, dass Ausdauer, Energie, Kreativität und Freude an allem, was er macht, die Basis sein muss, um mental in Form zu sein, in der Balance.

 

 

Die schmeckt man, sogar ich mit der Einschränkung einer Erkältung. Janosch, der ungarische Restaurantleiter und Sommelier, stimmt mich eloquent auf die einzelnen Gänge ein, rät vortrefflich zu einem Walliser Weißwein, im Barriqe ausgebaut, von Giroud. Delikat das Hummersüppchen mit Avocadoeinsprengseln. Carpaccio vom Rind auf Linsen. Die Gänseleber darf mit gutem Gewissen goutiert werden, die Tiere wurden mit Feigen gefüttert. Meine Geschmacksnerven reagieren angeregt. Zu Gunsten der mir unbekannten Belper Knolle, steinharte Rohmilchkäseknollen, frisch gehobelt, bin ich bereit, auf Trüffelspäne zu verzichten. Aber auch die kommen noch. Jakobsmuschel im Speckmantel, auf einem hohen Triangel aus Polenta in Pastis gekocht, mit Spinatgemüse im Olivenölspiegel. Grandios. Ich gönne mir eine kleine Pause, die wenigen Schritte zur Kirche lassen mich durchatmen. Meine Erwartung auf den Hauptgang ist groß. Nierchen hatte ich lange nicht gegessen. Auf geräuchertem Erdäpfelsalat, mit feingewürfeltem Ratatouille, einer Mousseline aus Kartoffeln mit Trüffel. Trüffel soll es sogar in Lindau geben, verrät mir Janosch. Die Nierchen sind die besten, die ich je gegessen habe, knusprig gebraten, zart, jeden Kritiker umstimmend. Zum Schluss muss es unbedingt Käse sein, selbstverständlich favorisiere ich Schweizer. Wieder aus Belp kommt der pikante Mürgu, ein Blauschimmelkäse. Von den zierlich feinen Petit fours und Pralinen nasche ich zum guten Café Crema.

 

Meine Begleiterin belohnt sich damit, als sie mich abholt. Wie konnte sie sich dieses Mahl nur entgehen lassen?  Denn Rolf Grobs Vision, im Paradies zu verwöhnen, beglückt bereits irdisch in seinem RÖSSLI.

*morgendliche Brotzeit und nachmittägliche Vesper

Autorin: Margret Buchner

 

Kontakt:

RÖSSLI

Neuhofstr. 3
8315 Lindau

Tel: +41 (523) 451151

E-Mail: roesslilindau@duebinet.ch

 

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