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Restaurant des Monats November 2016

arrow left EssZimmer, München, Deutschland arrow right

Chef de Cuisine
Bobby Bräuer

So wie es den Reiz erhöht, in einer Küche den Fertigkeiten der Köche zuzuschauen, während man hungrig wartet, so sitzen wir gerne in Werkstätten, in aufgelassenen Lagerhallen, um zu konsumieren. Theater, Performance oder eben fine dining.

Fine dining im EssZimmer. Nicht in einem Herrschaftshaus, nein, integriert in einem futuristischen Industriebau, in der BMW-Welt in München. In diesem stählernen Riesenspielzeug Diabolo, dem aufsehenerregenden Doppelkegel. Dort, wo München etwas von einer weltläufigen Metropole hat.

So wie es den Reiz erhöht, in einer Küche den Fertigkeiten der Köche zuzuschauen, während man hungrig wartet, so sitzen wir gerne in Werkstätten, in aufgelassenen Lagerhallen, um zu konsumieren. Theater, Performance oder eben fine dining. Mit dem wohligen Gefühl, dass wir nicht am Fließband malochen müssen. Der Entwurf des Wiener Professors Wolf D. Prix mit dem Architektenbüro Coop Himmelb(l)au zeitigt ein furioses Ergebnis mit der BMW-Welt. Sie ist eine kombinierte Ausstellungs-, Auslieferungs-, Erlebnis-, Museums- und Eventstätte, von 2003-2007 errichtet. Die Gastronomie steht unter der Regie von Michael Käfer. Er lässt seinem Küchenchef Bobby Bräuer freie Hand über 80 Mitarbeiter. In allen Outlets werden wir nach unseren eigenen Bedürfnissen verwöhnt, in der Brasserie, im Bistro, in den beiden Bars.  

Wir wollen hoch hinauf und haben uns auf das EssZimmer kapriziert, Bobby Bräuers „Wohnzimmer“, eigenwillig und bequem eingerichtet wie Wohnzimmer eben. Flauschige Teppiche, Holzregale mit Kunstgegenständen, Bouvier-Besteckskulpturen, Retro-Pendellampen tauchen den Raum in warmes Licht, der Blick aus dem dritten Stock verliert sich im grandiosen Geflecht des Gebäudes. Aufrechte Laguiole Buttermesser halten Wacht auf den weiß eingedeckten Tischen.

Martin „Bobby“ Bräuer, der Spitzname seit Kindheitsfussballtagen,* 1962, ein echter Münchner, ist ein Mann, der mich neugierig macht. Von seiner entspannten Ausstrahlung her, seinem souveränen Auftreten. Er hat bei Otto Koch gelernt und immer bei den Großen seiner Zunft gearbeitet. Keine Spielereien, aber raffinierte klassische innovative Gourmetküche, das Handwerk wichtigste Basis. Er weiß um sein kreatives Können, er weiß um das zuverlässige Engagement seiner Köche. Im Gespräch offen und unverstellt, Harmoniebedürfnis glaubt man ihm sofort. Innerhalb von zwei  Jahren hat er mit seinem Team 2 Michelin-Sterne und 18 Punkte bei Gault Millau geholt. Auf die Frage nach einem signature dish zuckt er mit den Schultern. Wenn man von seiner privaten Leidenschaft für seinen Schrebergarten absieht. Bobby Bräuer holt sich Kraft und Entschleunigung aus der Erde. 

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Er redet nicht lang herum, jetzt wird gekocht. Ein Querschnitt von A wie Aubergine bis Z wie Zitrusfrüchte erwartet uns. Ein kühl temperiertes Glas Champagner von Rodez und für die Autofahrerin Prisecco von Geiger zum Studium der Karte. Was heißt Studium: Wie man aus der karg getakteten Zutatenliste des Menus ein herausragendes Mahl zubereiten kann, das vermögen nur Spitzenköche. Selbst die Olive und die Kaper steht im Singular, ein zarter Hinweis auf singuläre Kompositionen? Vorneweg die dreiteiligen Jahreszeittupfer Kürbis, dazu Carta di Musica, es gefällt uns, dieses sardische Hirtenbrot. Überhaupt die amuse oder das reizende Magentratzerl mit einem Hauch von Zucchini. Prägnant die Fin de claire mit Mangoperlchen und Shitake. Ein bisschen verliebt war der Koch bei dem papierzarten Kartoffelsegel zum kraftvollen Jus vom Wagyu Rind. Aber Liebe ist verzeihlich. Die leichte Süße des Gewürztraminers von Albert Boxler harmoniert perfekt zur „Ente aus Challans/ Aprikose/Lavendel“ mit einer pikant-weichen Steinpilz- oder war es eine Champignon-Pannacotta? Ein wunderschöner, wunderbar schmeckender Teller.

An die feinen knusprigen Entenhautfetzen wagen sich selbst lipophobe Puristen, würzig das knackig-rote Kimchi aus Weißkraut. Der nächste kleine Gang Aubergine. Bobby Bräuer gießt die Essenz selbst an: Hier Ihre überschätzte Aubergine, bezieht er sich augenzwinkernd auf meine vorlaute Bemerkung. Garniert mit einem duftenden Kranz von Sommertrüffel. Ich bin beschämt und entzückt. Maitre und Sommelier Frank Glüer empfiehlt die passenden Weine wie einen Vincent 2008 aus Puligny-Montrachet. Es passt alles, was Ihnen schmeckt, sagt er. 
Meine Freundin schaut streng, als ich den Wein etwas hektisch im Glas zu schüttle. Drehen, empfiehlt sie. Beim Steinbutt auf Ochsenbäckchen vermählt sich stimmig die Schmorsauce mit dem Champagnerschaum. Ein exzellenter Gang.

Die Haxe vom Milchkalb kommt speziell für mich als wohldosiertes Häxlein, die sehr weiche Gänseleber in Curryschaum dominiert. Geschmeidig die Blumenkohlcreme und die zart gerösteten Blumenkohlscheibchen. Bobby Bräuers Küche sättigt uns nicht nur, sie macht uns glücklich. So wie er es sich für seine Gäste wünscht. Insbesondere meine Freundin bei den Desserts. Lapidar getitelt Zitrusfrüchte. Ein fluffiges Soufflé aus Limette, Orange und Pomelo. Mascarponecreme auf einem Pistazienbeet. Hübsch gerankt wie die Vignette eines Poesiealbums. Filigran die Hirschhornflechten, die mich auf der Zunge verwirren, sodass ich noch ein Zweiglein zum Probieren bekomme. Eine Bitternote, die raffiniert den Appetit anregt. Für den allerletzten Gang, die Friandise. Die köstlichen Petitessen, die einen über die Nacht bringen. Im Bewusstsein der Dankbarkeit. Es geht uns so gut.

Der Service im EssZimmer unter Restaurantleiterin Helene Löwe ist angenehm zurückhaltend, unsere Gespräche fließen. Die Neugier hat sich gelohnt, Bobby Bräuer ist ein Großer seiner Zunft.

Autor: Margret Buchner, Fotos: Thorsten Jochim, Claudius Hauptmann

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