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Restaurant des Monats März 2018

arrow left Lafleur, Frankfurt (Main), Deutschland arrow right

 
Adresse: Palmengartenstrasse 11, 60325 Frankfurt (Main)
Küche: Moderne Klassik
FAX: +49 (69) 90029 155
Chef de Cuisine
Andreas Krolik

Ein schöner Raum wurde für das Lafleur konzipiert. Im ehemaligen Hochzeitssaal des Gesellschaftshauses im Palmengarten. David Chipperfield Architects hatten die letzte Sanierung an dem spannenden Bau im Architektur-Mix aus Neo-Renaissance und Bauhaus vorgenommen.

Wer als Koch seinen Wohnsitz in die Wetterau, die Kornkammer Hessens gelegt  hat, hat gute (Speise)Karten für die sehr urbane Stadt Frankfurt. Wer darüber hinaus  in seiner Kindheit im ländlichen unverwirtschafteten Gebiet in Sachsen Anhalt aufgewachsen ist, auf einem Hof mit Landwirtschaft, mit Gärten von mehr als 3000 m² Nutzfläche für Obst und Gemüse, und dies geliebt hat, der kann nur als Koch leben.

Andreas Krolik, geboren 1974 in Erdeborn, nutzt seine Talente, seine Erfahrung. Nach seinen Wanderjahren durch die süddeutsche Republik und die Schweiz landet er 2012 im Gourmetrestaurant des Tigerpalast in Frankfurt, wechselt 2015 ins Lafleur, bleibt damit der Tiger& Palmengruppe treu. 1998-1999 hatte er bereits im Tiger einen Zwischenstopp eingelegt. Seine zwei Sterne bestätigt er souverän, Koch des Jahres ist er seit 2017, er gehört zu den besten Küchenchefs Deutschlands. Nummer Eins mit zwei Sternen in Frankfurt. Ein Bub aus Sachsen Anhalt, der seinen Berufstraum Förster begraben musste wegen der innenpolitischen Umwälzungen nach dem Fall der Mauer. Förster gabs genug. Die –zunächst-  Zwangsentscheidung Koch zu werden, bereut er nicht.

Der Natur bleibt er nah, er angelt in seiner Freizeit.

Robert Mangold, der sehr rührige Geschäftsführer der gesamten Tiger & Palmengruppe, führt die Schreiberin durch das Lafleur, während Zauberhände backstage Tischdecken bügeln, eindecken, Gläser funkeln, sorgsam ist der Umgang, wie mit Kronjuwelen.

Einen schönen Raum hat Mangold konzipiert. Im ehemaligen Hochzeitssaal des wieder eröffneten Gesellschaftshauses im Palmengarten. David Chipperfield Architects hatten nach Wirren des Krieges und der Zeiten die letzte Sanierung an dem spannenden Bau im Architektur-Mix aus Neo-Renaissance und Bauhaus vorgenommen. Im Lafleur wirkt alles rund, die reizenden Figurinen der Edekafrauen von Kristina Fiand stellen witzig den Bezug zur Alltagswelt her, verhindern möglicherweise Schwellenangst, die farbkräftig floralen Bilder knallen aufregendes Leben.

Ein guter Tag, dieser 17. Februar. In den USA ausgewiesen als „Tag der grundlosen Nettigkeiten“. Es passt für uns. Der Service beweist es.  Unter der Doppelspitze des Maitre Philipp Günther, der die Schreiberin sehr freundlich  in das noch geschlossene Restaurant einlässt  und  Chef Sommelier Miguel Martin, Spanier mit pfiffig lachenden Augen. Die Küche tischt atemlos auf. Ein kleiner Sellerie-Gemüse- Shot kickt uns nach vorn, die gebackene Selleriepraline grüßt warm. Das Amuse  Saiblingstatar –Tatar von roter Bete - Eis vom roten Hörnle – Saiblingsfumé lässt den Ballast einer Großstadt mit gesperrten U-Bahnen und Demonstrationsgeschrei endgültig  abfallen: Wir sind angekommen.

Die ansonsten normalessende Schreiberin hat sich auf Kroliks Alleinstellungsmerkmal kapriziert. Einmalig in der Gourmet-Szene  kocht Krolik mit seinem Team unter dem  engagierten Executive Souschef Tobias Schmitt seit vier Jahren ein veganes Menü. Tatsächlich eine Herausforderung in der Gourmetwelt des Edelhype. Sie besticht durch ihren guten Geschmack, durch genussfreundliche und gesunde Ausgewogenheit, durch eine Sättigung, die den Taillenbund nicht strapaziert, dafür wohlig warmes Wow evoziert. Eine attraktive Kalorienaufnahme.

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Der gebackene Gewürztofu mit Macadamia Reiscrunch, Shisojus, Pak Choi, Shiitake, regt den Appetit an, die Umsetzung nach Kroliks Rezeptur für potenzielle Nachkocher schmeckt perfekt:

Tofu wird mit einer asiatischen Marinade und Currymischung mindestens 24h mariniert/vakuumiert, in Reismehl gewendet, knusprig in heißem Pflanzenöl ausgebacken, darauf kommt Reiscrunch, der aus grünen Reisflocken und knusprigem Wildreis plus Gewürz- Macadamianüssen besteht. Die Jus,  eine braune Gemüsejus mit Shisoblättern aromatisiert. Pakchoi auf 2 Arten, die Blätter als feine Julienne -  die junge diätaffine Praktikantin schnitzt und zupft Blättchen und anderes mit Akkuratesse - mit Reisweinvinaigrette, die Stiele mit Essig und Öl eingelegt und leicht abgebunden, außerdem fein geschnittene Shiitakewürfel angebraten und mit Sojasauce und Pilzfond mariniert sowie ein kleiner Shiitakepilzhut, ebenso eingelegt.

Bissfest köstlich. Durch den Einsatz von Piquillo Gel und Yuzu erhält die Komposition eine pikante, leicht säuerliche Note. Sehr dezent, wie Krolik überhaupt Säure wohltuend dosiert, in all seinen Gängen vertreten, nie vordringlich.

Harmonisch begleitet der rote Riesling, leicht und fruchtig, vom Weingut Allendorf. Überhaupt die Weinempfehlung durch Miguel Martin, angenehm abgestimmt, transportiert sie anregende Unterhaltung. Zweimal bricht die Schreiberin aus ihrem veganen Kanon aus. Sie genießt mit ihren Tischgenossen die mild gebeizte Jakobsmuschel mit geeister Corailcreme -  und den farbprächtigen Carabinero. Nur klitzeklein mit gereiftem Luma Pork „verschweint“, ansonsten- o ja-  vegetarisch, sogar detoxisch mit dem Umeboshi (eine japanische Aprikosenart) Sesam, Bergbohnen, Grünkohl, Pastissoße… Weil das Krustentier so köstlich schmeckt, verzeiht sie sich den Ausrutscher und delektiert sich geschwind an Petersilienwurzel und Rosenkohl. Ein poetisch illustrierter Gang. Mit schwarzem Wintertrüffel, zarten Schaumschleiern (aus Olivenöl, Traubenkernöl, Zitronenessig, Salz, Pfeffer, Piment d`Espelette, Spritzer Apfelsüße), geröstete Marcona Mandeln geben bauchwarmen Flash. Kein Fleischgang schafft in Schönheit visualisiert eine solche Gesundheitsfülle; gemüseglücklich kann Rosenkohl machen.

Es bleibt Winter auf den Tellern: Schwarzwurzel (im Hessischen auch Storzenieren  oder botanisch Scorzonera hispanica  genannt), Edelpilze, Rübchen, knusprige Grünkohlblättchen, ein Klecks geschmeidiger Vitelotte Kartoffelstampf  - und  rein gar nichts davon erinnert an elende Hungerzeiten, nur an Aufbruch. Umdenken ist angesagt. Die Schreiberin sitzt fassungslos vor dieser grandiosen Pflanzenküche. Sie mag eh diese Gemüse, aber ihre Liebe ist sozusagen in ein neues Stadium eingetreten, in ein reines, mit Fett und Sahne und Pasta krallt man sie proletarischer. Kein Futterneid auf die karnivoren Genüsse der anderen, obwohl die beiden Tischgenossen ihre Fleischgänge rühmen. Besonders den Kalbsrücken mit Markkruste und die glasierte Kalbsbrust, so zart und saftig, sogar gesteigert nach dem kulinarischen Vorlauf, was manchmal einem Hauptgang fehlt vor lauter Augen- und Magenbefriedigung.

Die Schreiberin freut sich weiterhin am roten Riesling, der weiß ist, die Tischnachbarin am Tenuta San Guido Le Difese 2013, dem roten, der autofahrende Begleiter an Säften. Zum weich süßen – mango-und passionsfruchtigen Dessert kredenzt der Sommelier  ungarischen Tokaier.

Die Pralinen schmecken einmalig. Viel später zu Hause. Die bittere Schokohülle, erwünscht dünn, die fruchtigen und/oder  cremigen Füllungen kontrastieren süß. Ein Dank an die Patisserie.

Ein schöner außergewöhnlicher Abend, vorzugsweise für die Schreiberin, die in ihrer Heimatstadt mit deftigem Handkäs, Rippche und Äppelwein, aber auch mit der Fressgass aufgewachsen ist. Deren Luxusprodukte vereinen sich in genialer Allianz mit den Gemüsen der Saison.

 Andreas Krolik macht es möglich. Mit seiner bemerkenswerten Brigade im Frankfurter Lafleur.

Sachsen Anhalt sollte ihn zum Vorbild nehmen.

 

*Der Name, Anlehnung an das berühmte Spitzenweingut „ Chateau Lafleur“ im Pomerol .

Autor: Margarete Buchner

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