Restaurant des Monats
November
2018:
N°4,
Buxtehude,
Deutschland

Das Hotel im ehrwürdigen Backsteinbau aus der Kaiserzeit, ehemals Mädchenschule offeriert drei Restaurants: Das No.4, Gourmetrestaurant, abends geöffnet, das Seabreeze, das à la carte Restaurant und die Lighthouse Bar. Alle unter der Leitung von Küchenchef Jens Rittmeyer...
Als ich in Bayern angekündigt habe, ich fahre nach Buxtehude, belebte ein Grinsen jeweils das Gesicht des Gegenübers. Warum nur?
Und als ich in Buxtehude mit dem Taxi vom Bahnhof zum Hotel Navigare fahre, empfiehlt mir der freundliche Taxifahrer, der mir das Hotel zum Übernachten zubilligt, dafür preiswerte Restaurants in der Nähe aufzusuchen. Und er legt los mit Empfehlungen, günstigen. Mimisch und verbal bin ich also vorbereitet auf das, was kommt. Aber es kommt ganz anders.
Buxtehude erweist sich als reizende Hansestadt am Rande des Alten Landes, mit südländischem Leben auf der Straße, zugegeben der Tag ist einer dieses nie enden wollenden Sommers. Heiterkeit liegt in der Luft über den Fleets. Die Menschen flanieren, sitzen draußen, trinken Wein. Mir gefällt dieses Buxtehude in der Metroregion Hamburgs, dessen Name die Bayern seltsamerweise zum Schmunzeln bringt.
Auch das Hotel im ehrwürdigen Backsteinbau aus der Kaiserzeit, ehemals Mädchenschule gefällt mir. Drei Restaurants offeriert es: No.4, Gourmetrestaurant, abends geöffnet, Seabreeze, das à la carte Restaurant und die Lighthouse Bar. Alle unter dem Küchenchef Jens Rittmeyer, geboren 1975 in Halle. Ich kenne ihn schon vom Kai 3 auf Sylt. Seine entspannte liebenswürdige Art macht es einem leicht, ins Gespräch zu kommen. Die Kanten seines Lebens rundet er mit übersprudelnden Plänen.
Für heute entscheide ich mich für das No. 4. vier Tische, Blick in die Küche, die Köche arbeiten konzentriert, sehen uns nicht. Klein, aber sehr fein. Ein Michelinstern seit 2017, vorher je 6 Jahre einen Stern in Portugal und auf Sylt. Die Nordische Reise beginnt puristisch. Nicht vorneweg die große Oper, die im Mittelteil oft an Melodie verliert. Als ungewöhnliche Ouvertüre zwei, drei Blätter vom Eisbergsalat, beträufelt mit Eisenkrautvinaigrette. Würzig. Rittmeyer zeigt sich von seiner favorisierten Gemüse- und Kräuterseite. Die Reise startet mit den Buchweizentartletts, abgeschmeckt mit Eberesche und Broccolistiel, Steinbuttrogen zu Bottaga gehobelt. Dann markiert ein schlichter Markknochen mit Bentheimer Speck den Weg und ein paar getrocknete Schwarzkohlfetzen, auf die Leindotterölcreme tropft. Minimalistischer und origineller kam ich noch nie in die Gänge. Begieriger auch kaum. Mit dem Süppchen endet das Warmlaufen. Obwohl sie lau ist, die nordische Erbsengazpacho. Delikat. Dazu geräuchertes Wachtelei.
Mein Begleiter, ausgehungert von einer anstrengenden Fahrt, klingt sich lobend in den Kanon ein. Er ist kein Erbsenfan, aber dieses Süppchen… Ich liebe Erbsen, in jedweder Form. Die nächste Station: Blick aufs Meer. Handgetauchte Jakobsmuschel, ein gerupftes Taschenkrebstürmchen in einer Miesmuschelsauce. Aber in was für einer… Zwei individuell gefertigte Standbeine hat Rittmeyer sich zugelegt: Gemüse und Saucen. Saucengott soll er genannt werden, wahrlich. Dazu ein mineralischer Riesling, Spur salzig von Peter Jakob Kühn, 2016. Ich bleibe dabei. Passt immer, auch zum Zander, der kross gebraten mit knusprigen Schuppen mich umwirft und in sein weiches samtiges Bett aus warmer Remoulade* fallen lässt. Fast möchte man inne halten im Genuss und doch unaufhörlich weiter essen. Ganz Zunge sein. Brillat-Savarin blinzelt. Einen ungewöhnlichen Chardonnay von Bret Brother aus dem Burgund probiert mein Begleiter. Lisa Braun, die Restaurantleiterin hat ihn wegen seines „fülligen Körpers“ zum Fisch empfohlen. Kürbis monochrom bringt uns wieder auf den Boden. Auf einen besonderen. Denn zaubern Sie mal aus diesen Angaben: Kürbisrolle mit zweierlei Karotte „drumherum“, Hokkaidokugeln, Butternut-Ring, Kürbis-Tomatensud (von Butternut, Hokkaido und gelber Tomatensorte „Golden currant“), Jarradale-Chip, Gelbe Karottenöl-Creme, Kürbiskernpulver, Giersch und Portulak ein harmonisches, nicht vollgestopftes Gemälde? Klar, es erfreut jeden vegetarischen Gärtner, aber dass es zusätzlich sogar missmutige Kürbisesser zum Strahlen bringt? Rittmeyer kann’s.
Die Krustentiervelouté mit Wilhelmsburger Steckrübe, Melisse & Spitzkohl …ah, wie bewundernswert steht Rittmeyer auf seinen Standbeinen: Scheibchen von Steckrüben, Krustentierravioli, Kohlrabicreme, Spitzkohlraspel. Ein vollmundiges Gedicht. Velouté, Velour, Samt, himmelweit entfernt von - einfallslos ins Deutsche übersetzt- einer weißen Grundsauce.
Er spielt weiter mit Gegensätzen, dieser kreative Koch. Denn wer hätte je Sauce mitBrot als Gang in einem deutschen Gourmetmenü gehabt?
Sarah, die Souschefin und zwei Köche tischen drei Tiegelchen auf: Eine unglaublich köstliche Rosmarin Sauce, eine säuerliche, vegane Schwarzessigsauce und ein Beuschel, gewagte Komposition eines Meisterkochs. Dazu Brot von Arnd Erbel, dem Bäcker aus Nürnberg, dem ich am liebsten hinterher reisen würde.
Langsam geht die Reise für mich dem Ende zu. Nicht für meinen Begleiter, einen eher zurückhaltenden, geschmacksicheren Esser. Dass er aufspringt, hat noch gefehlt beim Fleischgang: Rehrücken mit Schwarzkohl, roter Bete& Schwarzwurstjus. „Das erste Reh, bei dem ich begeistert bin“ und „Weltklasse!“ jubelt er dem Koch entgegen. Fast sehe ich Rittmeyer verlegen. Es muss am Jus liegen, an der Zubereitung, an dem zarten Fleisch der Elbwild AG, das eine Saftigkeit hervorbringt, die mein mittafelnder Feinschmecker sonst beim Wild vermisst (das sich wegen seines naturbelassen-gesunden Fleisches in die Gourmetriege gerankt hat). Ein Versuchsstück bestätigt es mir. Gut, er korrigiert seine Überschwänglichkeit und erwähnt einen Sternekoch, der ähnlich formidabel aufgetischt hat. Ja, Erinnerung ist ein löchriges Gewebe, und Glück ist nicht beständig.
Aber für heute passt es virtuos. Samt Dessert, Äpfel aus Mittelnkirchen, Erdmandelstreusel, beherzt die Lakritzetagetes. Das süße Ende einer wunderbaren Reise durch die Küche des No.4 hält, was sie zu Beginn versprochen hat: Neugierig zu sein auf alles, was die Welt an Genüssen zu bieten hat und wie es die großartige Küche von Jens Rittmeyer mit seinem hochmotivierten Team auf die Beine stellt. Auf seine speziellen Standbeine. Ein seliges Lächeln ist uns ins Gesicht geschrieben. Wie gut, dass wir kein wohlfeiles Restaurant aufgesucht haben.
*hergestellt aus zwei Komponenten: Eigelbcreme und beurre blanc
Eigelbcreme aus gekochtem Eigelb und gekochter Karotte, sowie Kapernwasser, Rauchsalz, Essiggurkenwasser und Rapskernöl
Beurre blanc mit Gewürzgurkenwürfeln, rohen roten Zwiebelwürfeln, gewaschenem grobem Senf, Schnittlauch. Jens Rittmeyer nennt das puristisch.
Historie (Restaurants der letzten Monate)
-
September
2022
Due Fratelli, Bremen -
November
2021
Einsunternull, Berlin -
Oktober
2021
Gourmetrestaurant Dichter, Parkhotel Egerner Höfe, Rottach-Egern -
September
2021
136, Berlin -
Juli
2021
NIGRUM, Baden-Baden -
März
2021
Field, Katerberg, Lüchow -
Oktober
2020
HYGGE, Landhaus Flottbek, Hamburg -
September
2020
Cheval Blanc by Peter Knogl, Grand Hotel Les Trois Rois, Basel -
März
2020
Louis, La Maison, Saarlouis -
Dezember
2019
Seestern, Lago, Ulm -
Oktober
2019
SE7EN OCEANS, Hamburg -
August
2019
Laurus, Hartmannsdorf -
Juni
2019
Caroussel Nouvelle, Bülow Palais, Dresden -
April
2019
Oswalds Gourmetstube, Relais & Chateau Hotel Oswald, Teisnach -
März
2019
Waidwerk, Romantik Hotel Gasthaus Rottner, Nürnberg -
Januar
2019
Schwingshackl Esskultur, Altes Fährhaus, Bad Tölz -
Dezember
2018
Yunico, Kameha Grand, Bonn -
November
2018
N°4, Buxtehude -
Oktober
2018
Schwarzreiter, Vier Jahreszeiten, München -
September
2018
[maki:‘dan] im Ritter, Ritter Durbach, Durbach -
Juli
2018
ESSENCE Restaurant & Lounge, München -
Juni
2018
Entenstuben, Nürnberg -
März
2018
Lafleur, Frankfurt (Main) -
Dezember
2017
schanz, schanz, Piesport -
November
2017
Leos by Stephan Brandl, Bayerwaldhof, Bad Kötzting -
Oktober
2017
Tiger-Gourmetrestaurant im Tigerpalast, Frankfurt (Main) -
Juli
2017
Lafleur, Frankfurt (Main) -
April
2017
Ente, Nassauer Hof, Wiesbaden -
März
2017
garbo, Löwen, Eggenstein-Leopoldshafen -
Februar
2017
Camers Schlossrestaurant, Schloss Hohenkammer, Hohenkammer -
November
2016
EssZimmer, München -
Oktober
2016
Alois, München -
September
2016
Saphir, An der Wasserburg, Wolfsburg -
August
2016
ZweiSinn, Nürnberg -
Juli
2016
Maerz & Maerz, Rose, Bietigheim-Bissingen -
April
2016
Messerschmidt im Auerhahn, Pulheim -
März
2016
Maitre, Köln -
Januar
2016
Clementine im Glashaus, Palais Coburg, Wien -
Dezember
2015
Gourmetrestaurant Dichter, Parkhotel Egerner Höfe, Rottach-Egern -
November
2015
Meisenheimer Hof, Romantikhotel Meisenheimer Hof, Meisenheim -
Oktober
2015
Schwögler, Bad Abbach -
Juli
2015
Camers Schlossrestaurant, Schloss Hohenkammer, Hohenkammer -
Juni
2015
Eisvogel, Der Birkenhof, Neunburg vorm Wald -
März
2015
Schlössl, Schlössl, Oberotterbach -
Februar
2015
Zirbelstube, Am Schlossgarten, Stuttgart -
Januar
2015
Huberwirt, Pleiskirchen -
Dezember
2014
Kalckreuth, Romantik Hotel Dorotheenhof, Weimar -
August
2014
Courtier, Weissenhaus Grand Village, Weissenhaus -
März
2014
Turmschänke, Kaiserhof, Eisenach -
Januar
2014
Michael Harr, Sasbach -
Juli
2013
Seaside Thai Cuisine, Steigenberger Grandhotel & Spa, Heringsdorf (Usedom) -
November
2012
Büttner's, Greifswald -
März
2011
Historisches Eck, Regensburg -
Januar
2011
Segreto, Wittenbach