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Restaurant des Monats Oktober 2015

arrow left Schwögler, Bad Abbach, Deutschland arrow right

Bad Abbach, Schwefelbad, reizvoll gelegen im Donautal und seiner „grünen“ Umgebung, Nähe Regensburg, gute Luft, Wandern und Radfahren und ein Koch mit eigenem Weingut ...

Mit dem Bib Gourmand kann er gut leben. Und wenn es stimmt, dass die Brüder Michelin von einem Bayern mit Maßkrug inspiriert worden sind zu ihrem Symbol Bib (nunc est bibendum - Jetzt lasst uns trinken!), dann hat der Niederbayer Herbert Schwögler die Auszeichnung verdient: „sorgfältig zubereitete und preiswerte Mahlzeiten.“ 
Allerdings nur als Basis-Bedingung. Und keineswegs, weil er einem bierzipfligen Protagonisten ähnelt, er ist Weintrinker.

Wie er in seinen regionalen Produkten zuhause ist, wie er mit seinen jungen engagierten Köchen agiert und fantasiert, das muss man erleben. Crossover-Küche ist sein Konzept, gut ist, was gut schmeckt, die Gerichte müssen nicht immer identisch rüberkommen, eine Art Freistil, aus der Hüfte kochen, so erklärt er schmunzelnd. Herbert Schwögler, Jahrgang 1974, ein wacher, unangepasster Niederbayer, hatte so gar nichts mit Kochen am Hut. Seine Ideen schweiften in alle möglichen Richtungen. Von Kraftfahrzeugmechaniker bis… Im möglichen Berufekarussell suchend, bot sich die Gastwirtschaft der Mutter, mit Kegelbahn seit 1968, als Lokation und Option an, aus dem einfachen Landgasthof ein Restaurant zu machen. Er lernte in Regensburg, kochte dann im Historischen Eck in Regensburg, bei Feckl und Oehler, bei Stefan Marquard und beim Gewürzepapst Ingo Holland in Klingenberg.
2008 übernahm er den elterlichen Betrieb, baute aus und um, die Küche auf höchstem Niveau. Gelungen die Gaststube und das Gourmetrestaurant mit integrierter Weinklause, originell die fahrbaren Fässer. 

Marquard hat ihm den entscheidenden Tipp gegeben, über den klassisch-akkuraten Tellerrand der ambitionierten Küchenkunst zu schauen. Kühn zu sein, eigenen Ideen zu folgen, gängiges Tournieren zu verlassen, das Produkt hoch zu halten, all das ist unabdingbar neben gutem Handwerk. Schwögler kocht leidenschaftlich gern entremetier. Selbstverständlich ad hoc vegetarisch. Bad Abbach, Schwefelbad, reizvoll gelegen im Donautal und seiner „grünen“ Umgebung, Nähe Regensburg, gute Luft, Wandern und Radfahren. Darin konnte Schwögler sich früh üben und den Wahnsinnsmarathon Fichkona stemmen - sogar nach einem schweren Unfall. Radfahren – besser Radrennen - Schwöglers ausgleichendes Hobby, bis zu 8000 km können im Jahr zusammenkommen. So wie er sich in der Küche nichts schenkt.

In kühnen Schritten vom kulinarischen Angebot „Basic“ über „Spacig“ zu „Mama Afrika“, eine Idee seines afrophilen Küchenchefs Herbert Kuffer, springt und sich mit Catering ein 2. solides, zeitaufwendiges Standbein zulegt, auch hier die bayrischen Grenzen überschreitend. Mein persönliches „crossover-Erlebnis“ vor unserem Menü ist Schwöglers pharmazeutischer Auftakt: ein fulminantes Kopfwehpülverchen, das er mir verordnet, „Sie werden sehen, in 5 Minuten ist der Schmerz weg.“ Ob ich ihn vergessen habe über Gespräch oder Vorspeise… er i s t  weg.  

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Das Introitus eines Dinners ist auch im Schwögler der aufregendste Moment. Magennerven, Zunge sind bis zum Anschlag gespannt. Nervöses Vibrieren: Da wird der Wein kredenzt, stolz, Schwöglers erster eigener Wein, der 2013 „Epps“, der Südtirols Sonnenfülle eingefangen hat. Warum sich mit einer Rebsorte begnügen, wenn Chardonnay, Weissburgunder, Grauburgunder, Sauvignon und Traminer eine Cuvée ergeben, die ausgezeichnet zu seiner Küche passt?

Die startet wie üblich mit warmem Brot und unüblich mit Bohnenaufstrich und Tamarindenbutter. Exotisch, ein wenig gewöhnungsbedürftig der leicht säuerliche Geschmack, der unaufdringlich zum Duett von der Alpenforelle überleitet. Das Tartar mit Melone ist mein Hit, weil ich eine feine Körnerstruktur erkenne, mein Mitesser leider nicht. Ganz anders das sanfte, blütenweiße Tomatensüppchen, und ein haptisches Wow verdient die Garnele, in Popcorn gehüllt. Bei Ravioli von Birne & Gorgonzola auf Mohnschaum beeindrucken mich die Cracker.
Überhaupt Schwöglers Kekse, Chips und Co., zart gehaucht, gepunzt oder geblasen, köstlich jedenfalls. Auch beim Hällischen Schwein zu finden, lecker der Sous vide gegarte Schweinebauch, am liebsten würde ich die leicht krustige Fettschicht ganz verschlingen, mein Herz sagt ja, mein Bauch sagt nein. Die Pfifferlinge in Holunderrahm, ein leckeres Special für mich, weil ich Pfifferlinge eher nicht mag. Die römischen Nocken, ein milder Kontrast zur Pfeffrigkeit der Aprikosen, selbstredend bissfest die Brokkoliröschen mit Stiel. Stängel und Stiele sind kraftvoll, so wie Fett Geschmacksträger ist. Das Dessert präsentiert sich als halbflüssiges Schokoladensoufflé – ein üppiger Ausflug in die Patisserie, wie gern würde ich eigens dafür her kommen -, ein Naschlöffel muss reichen, selbst mein Begleiter schiebt seufzend den Teller weg. Ein schöner Abend klingt aus, angenehm, nicht überfordernd.
Der Michelin Bib lächelt selbstbewusst. Bei Schwögler lockt es mich, „Crossover“ augenzwinkernd mit gekochter Liberalitas Bavariae zu übersetzen.  

Autor: Margret Buchner

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