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Restaurant des Monats März 2014

arrow left Turmschänke, Kaiserhof, Eisenach, Deutschland arrow right

 
Hotel: Kaiserhof
Adresse: Karlsplatz 28, 99817 Eisenach
Küche: Slow Food
FAX: +49 (3691) 888812

"Wir nennen es die Rumfort-Suppe."... Verständnislose Gesichter...

Wir nennen es die Rumfort-Suppe, erklärt uns Ulrich Rösch den köstlichen Fond der Suppe vom Kleinhettstedter Senf mit pochiertem Wachtelei und allerlei Kräutern. Verständnislose Gesichter. Graf Rumford kennen wir von Münchens Straßennamen, und eine nach ihm benannte Suppe besteht nur aus Graupen und getrockneten Erbsen. Dieser Fond aber ist göttlich.

Na, alles, was an Gemüse- und Fleischresten rum liegt und fort muss, erfahren wir, wird in einem leise siedenden Vorgang gekocht, durch ein Handtuch geseiht und später mit dem besten Senf der Region und mit Sahne versetzt und einem Wachtelei gekrönt. Röschs feiner Humor besticht uns gleich.

Ulrich Rösch, 1962 in Meerane/Sachsen geboren, seit 2004 stolzer Pächter der Turmschänke in Eisenach, ist ein sehr guter Koch. Das Handwerk, mit Betonung auf Handwerk, hat er auf einem der bestmöglichen Ausbildungsplätze der DDR erlernt: In Oberwiesenthal im FDBG-Erholungsheim (Freie Deutsche Gewerkschaftsbund). Da lernt man kochen. Masse. Organisation. Kreativität.

Kurios ist er zu dem Beruf gekommen, sein Freiheitsdrang hat ihn an die Töpfe getrieben. Eigentlich wollte er zur Marine, raus aus den Grenzen. Der sattsam bekannte Fortbewegungsmodus der Köche, die Mobilität, ließ ihn 1979-1981 im Erholungsheim Am Fichtelberg anheuern. Mit der ihm eigenen zielgerichteten Geschwindigkeit absolvierte er weitere Stationen in der DDR-Spitzengastronomie:

1982-1984 Hotel Astoria, Leipzig
1984-1989, Hotel Bellevue, Dresden
1989-1990, Palasthotel, Berlin
Nach der Wende 1990-1996, Hilton, Berlin (Souschef). In dieser Zeit macht er im Fernstudium seinen Betriebswirt. Er lernt gerne.
1996-2003, Turmhotel, Gotha (F&B Manager und Küchenchef). Hier musste er zuerst die Brigade aus kollektivem Tiefschaf erwecken, so lethargisch dümpelten Speisekammer und Belegschaft.

Auslandserfahrungen in Slowakei, Korea, Belgien.

Reisen, seine Sehnsucht aus Kindertagen, beschränkte sich zunächst auf den Osten. Nach der Öffnung der Mauer hielt ihn nichts mehr: Europa sowieso, Südamerika, Thailand, Vietnam. Schlagen Sie den Atlas auf und tippen Sie auf einen Punkt, Rösch war da.

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Jetzt ist er in der Heimat angekommen. Für die Turmschänke im fast 1000 Jahre alten Nikolaiturm, dem ältesten Stadttor Eisenachs, ist er als Weinkenner und – Fan geradezu prädestiniert. Rösch sammelt Weine, er kennt weltweit die Weingüter. Die Kriterien zum Weinkenner seien Lesen, Reisen, Saufen. Das letztere leitet sich eher von mittelhochdeutsch sufen, „schlürfen“ ab und streift die Nähe zu „Suppe“. Uns verblüfft der schmale, asketisch wirkende Rösch mit Marquard Stirnband. Mit welcher Freude und Gelassenheit er und sein sechsköpfiges Team - Partnerin Martina Rasch hat er aus Gotha mitgebracht - das holzgetäfelte, verwinkelte Restaurant bespielen. Immer wieder betont er WIR, „Kochen ist ein Mannschaftssport“. Sie agieren auf zwei Ebenen, die durch die Höhe Weite vermitteln, das Holzgeländer von schmiedeeisernen Arabesken durchbrochen, treppauf, treppab. Der eiskalte Kerker wird nur zu besonderen Gelegenheiten geöffnet, bizarrerweise zum Valentinstag. Zum Auftauen der Herzen?

Wir jedenfalls sitzen behaglich an einem runden Tisch, schlürfen unseren Wein, ich einen 2010er Müller-Thurgau vom Weingut Pawis und genießen das Essen.

Wenn man mit Parolen wie „Tag der massenpolitischen Einheit“ oder „mein Kampfplatz für den Frieden“ aufgewachsen ist, reagiert man skeptisch auf Pathos und Übertreibung. Auf seinen Tellern liegt die Wahrheit. Da freuen ihn die 15 Punkte im Gault-Millau, der Michelin Bib und die anderen Auszeichnungen besonders.

Brot und Butter mit hawaiianischem und englischen Salz öffnet den Magen und als amuse die getrüffelte Paté mit Blumenkohl. Darauf Lachs und Kabeljau, kernig, mit zweierlei Beize, in zarten Streifen, weißem Rettich, köstlichem Spinatsalat. Danach die erwähnte Suppe. Das Geheimnis des besonderen Senfes liegt an der Mahlgeschwindigkeit der Steine, 55 U/min, da bleibt das Aroma im Senföl erhalten, im Gegensatz zu industriellen Anlagen, die mit einer viel höheren Geschwindigkeit zu heiß mahlen.

Ein geschmackiger Teller verführt mit Rippchen, Kinn und Presa (Schulterstück) vom Ibericoschwein, dazu wundervoller Meerrettichwirsing und ein Mini- Semmelknödelauflauf. Durchaus zum Sattessen, fein differenziert die unterschiedlichen Teile, herrlich kross umhüllt die Panade das Kinn.

Gemüse und Salat schmecken lecker, vielleicht hätten wir sie so als Kinder gemocht. Rösch liebt die Gemüse der Saison. Im Winter die „fantastischen“ Schwarzwurzeln, alle möglichen Rüben, Kohlsorten. Knackig, nichts von Muff und Mief. Für Fleischliebhaber grillt er hochwertige erstklassige  Steaks.   

Ich lasse mein Menü - leider ohne Dessert Variation von Blutorangen mit Olivenöl - bei einem Kaiserstühler Spätburgunder ausklingen. Vollmundig, weich und harmonisch wie der Abend.

Wie schön, dass Ulrich Rösch in seiner Heimatecke geblieben ist und sich gerade wegen der damaligen Grenzen in ihr kulinarisch ausgeweitet hat.

Autor: Margret Buchner

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