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Köthe, Andree / Ollech, Yves: Gemüse 2

Eine Rezension von Restaurant-Ranglisten.de

Ackerrettich mit Zwiebelcreme
Rote Bete - üppig in Szene gesetzt
Rotoe Bete mit weißem Schokoladeneis

Normalerweise liegt zwischen der Veröffentlichung von Büchern, die das Werk von Spitzenköchen dokumentieren, ein Abstand von vielen Jahren. Andree Köthe und Yves Ollech haben nach ihrem im Jahr 2012 publizierten Band „Gemüse“ bereits drei Jahre später die Fortsetzung vorgelegt. Der schlichte Titel: „Gemüse2“. 
Ist es also nur eine Fortsetzung, zumal sich ihre Küche im Nürnberger Restaurant Essigbrätlein seitdem nicht grundlegend geändert hat, oder gibt es so viel mehr sinnvolles und interessantes über die Welt der Gemüse zu zeigen, dass ein zweiter Band zwingend erforderlich war?

Wie schon das erste Köthe/Ollech-Kochbuch, ist auch dieses im Tre Torri-Verlag erschienen. Damit ist ein Grundformat vorgegeben: Alle Kochbücher aus dem Hause mit Rezepten von Top-Köchen haben ein nahezu quadratisches Format. Außerdem dokumentieren sie nicht allein das Schaffen der Köche, sondern stellen es stets unter eine Überschrift. Daher ist es immer gut, wenn als Autoren Köche, wie das Duo aus dem Nürnberger Essigbrätlein gewonnen werden können, die sich klar einem kulinarischen Thema zuordnen lassen. In diesem Fall passt die Überschrift "Gemüse" natürlich haargenau zu Andree Köthes und Yves Ollechs Schaffen im Restaurant. Die beiden sind Vorreiter in der deutschen Küche, wenn es darum geht Gemüse in den Mittelpunkt von Gerichten zu stellen, ohne dogmatisch auf Fisch und Fleisch zu verzichten.

Das Buch beginnt, wie es ebenfalls verlagsüblich ist, mit einem Interview. Darin stellen Köthe und Ollech dar, dass sie bereits Ende der 90er Jahre damit begonnen hatten, sich intensiv mit Gemüse zu beschäftigen. Zu einem Zeitpunkt, als – nach ihren Worten – danach noch kein Hahn gekräht hat. Einen Trend hätten sie nicht auslösen wollen, sagt Yves Ollech. Sie hätten einfach nur das große Potenzial von Gemüse erkannt. Aber die beiden verzichten bekanntlich nicht auf Fisch und Fleisch. Für Yves Ollech ist der Vegetarismus „überhaupt nicht der Weg, den wir gehen sollten“. Ihnen sei es nur darum gegangen, sich mit den Möglichkeiten zu beschäftigen, die das Gemüse vorgibt, nicht den fleischlosen Weg zu propagieren, sagt er in dem Interview. Es wird also deutlich, dass die beiden nicht aus Trend- oder Marketinggründen ihre Küchenlinie entwickelt haben, sondern diese aus ihrem ureigenen persönlichen Interesse. So entsteht die Authentizität, die Gourmets suchen und die auch diesem Buch sehr gut tut.

Gerade an dieser Stelle des Interviews hätte man sicher noch einige, weiter in die Tiefe gehenden Fragen anschließen können. Leider erfolgt aber ein inhaltlicher Schwenk der Interviewführung. Die Leser erfahren, wie die Zusammenarbeit zwischen den beiden Protagonisten in der Küche des Essigbrätlein und die Entwicklung neuer Gerichte abläuft. Natürlich wird auch nach Lieblingsgerichten und Gemüsen gefragt. Das liest sich alles sehr interessant und hätte jede Food-Zeitschrift geschmückt. Aber für ein Kochbuch, das über den Tag hinaus Bestand haben soll, wirkt das oberflächlich. Etwas weniger Themen und dafür etwa tiefer gehende Fragen zu einem Aspekt, hätten das Buch aufgewertet. So bekommt man zwar einen ungefähren Eindruck in die Philosophie und Arbeitsweise der beiden Köche, aber da wäre durchaus mehr möglich gewesen, dass es zu kompliziert geworden wäre.

In diesem kurzen ersten Teil des Buchs bestimmen Schwarz-Weiß-Fotos der beiden Köche, sowie eine Außenaufnahme des Essigbrätlein, auf dem bräunliche Töne vorherrschen die Optik des Buches. Im Hauptteil mit den 52 Rezepten verändert sich dann die Bildsprache deutlich. Hat man es bei der Gestaltung des ersten Gemüse-Buches der beiden bei den Fotos einiger Gerichte mit der Farbsättigung etwas übertrieben und manche Grün- und Rot-Töne ins Unnatürliche verstärkt, ist jetzt die fotografische Darstellung der Gerichte und der vorangestellten "Porträtaufnahmen" der Gemüse bestens gelungen.

Jedes Rezept belegt zwei Doppelseiten des Buches und es steht unter der Überschrift eines Hauptprodukts. Dieses wird - in großer Opulenz - auf einer Doppelseite optisch und mit einem kurzen Text üppig in Szene gesetzt. Auf verschiedenen, teilweise etwas stechend poppigen, teilweise pastelligen Hintergründen sind diese Produkte in Groß- oder Makroaufnahmen zu bestaunen. Das eigentliche Gericht ist dann auf der anschließenden Doppelseite hingegen sehr natürlich ins Bild gesetzt. Die Teller wurden vor einem grauen Hintergrund fotografiert, was sich sehr positiv auf die optische Präsenz der Speisen auf dem Teller auswirkt. Diese stammen ausnahmslos von KPM. Hier schien man bemüht die komplette Vielfalt der Stilistiken des Porzellan-Hauses zu zeigen. Von klaren schnörkellosen und sehr modernen Tellerdesigns bis hin zu etwas altbacken wirkenden, sehr klassischen Modellen ist alles zu sehen.

So gelungen die Optik ist, so sehr wirft die textliche Gestaltung der Einführungsseiten für die jeweiligen Rezepte Fragen auf. Zunächst einmal war bei der Auswahl der Produkte, die für die Kapitelüberschriften herangezogen wurden, der Buchtitel „Gemüse“ keine allzu strenge Vorgabe. So wird mehrfach auch Getreide-, Pilz- und Obstsorten eine Kapitel gewidmet. Vermutlich hätte es sonst Wiederholungen mancher Gemüsesorten gegeben. Aber gemüsedominiert sind alle Rezepte.

Das zweite Fragezeichen entsteht beim Studium der kurzen Einführungstexte vor jedem Rezept. Diese Texte sind in nicht wenigen Fällen schlecht konzipiert. Mal wird mit mehr oder weniger spezifischem Hintergrundinformationen das Produkt in eher lexikalischer Form kurz vorgestellt, mal wird erklärt, wie das Gericht, dessen Rezept auf der folgenden Doppelseite steht, „funktioniert“ oder wie es entstanden ist. Nur diese Teile der Texte lesen sich so, als stammten sie aus der Feder von Andree Köthe und Yves Ollech. Oft stoßen so zwei Texttonalitäten innerhalb weniger Zeilen aufeinander. Die zweite Schwierigkeit: auf der den Rezepten vorgeschalteten Doppelseiten weiß man noch nicht, um welches Gericht es genau geht. Das heißt, der Leser muss einmal Umblättern, das Rezept lesen und wieder zurückblättern, um den kurzen, beschreibenden Text vollständig nachvollziehen zu können. Sollen also die Texte also das Hauptprodukt vorstellen, oder das Gericht erklären? Mal ist es so, mal so. Ein Lesevergnügen ist das somit eher nicht. Aber die Texte sind wichtig, für das Verständnis der Rezepte – sei es, da manchmal Zutaten im Mittelpunkt stehen, die nicht alltäglich sind, oder aber um die Wirkung der Gerichte nachvollziehen zu können.

Die Rezepte machen hingegen den Eindruck, als seien die Arbeitsschritte präzise formuliert. Viele Rezepte scheinen auch grundsätzlich für Hobbyköche gut umsetzbar. Allerdings dürfte dies in der Praxis sich auf wenige Rezepte reduzieren, da – neben den teilweise normalerweise nur schwer im Handel erhältlichen Kernprodukten – lange Standzeiten für einzelne Bestandteile hinzukommen, die der normale Wochenendkocher nur schwer zu Hause organisieren kann.

Diese genannten Kritikpunkte mindern aber nicht den Wert dieses Buches als Dokumentation und Darstellung eines sehr interessanten und eigenständigen Küchenstils. Es gibt einen tiefen Einblick in Küchenlinie des Essigbrätlein und der in die Gedankenwelt von Andree Köthe und Yves Ollech. Es zeigt sich, dass die Küche der beiden von ihrem Erfahrungsschatz im Umgang mit den Produkten der Region lebt. Deswegen ist sie allenfalls übertrag- aber nicht kopierbar. Es wird auch für den Nicht-Profi als Leser verständlich, wie weit ein tiefes Verständnis für ein Produkt eine Küche voran bringen kann. Das muss das Buch nicht groß in Texten erklären, da sprechen die Rezepte die deutlich überzeugendere Sprache.

Ein Rezensionsexemplar des Buchs wurde uns vom Tre Torri Verlag freundlicherweise zur Verfügung gestellt.

Gemüse² - Essigbrätlein

Andree Köthe, Yves Ollech

224 Seiten, über 100 Farbfotos

28,0 x 29,0 cm, Hardcover

€ 49,90 (D), € 51,30 (A) 

Kochbücher für Gourmets

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Michael C. Bienert erzählt in diesem Buch, wie der Cocktail im 19. Jahrhundert die heutige Hauptstadt eroberte, und schildert die große Blütezeit der Bars in den 1920er und 1930er Jahren.

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Vollkorn ist für viele ein Reizwort. Und der Grund dafür liegt oft in der Vergangenheit: trockene, bröselnde Brote und Gebäcke haben bei vielen für immer Spuren hinterlassen. Die Vollkornpizza aus der Schulkantine des Autors dieser Rezension hat sich fest in sein Gedächtnis gebrannt. Lutz Geißler schickt sich mit seinem Brotbackbuch nun an, diesen Eindruck wieder geradezurücken. Seine Mission ist es, zu zeigen, dass Brote und Gebäcke aus Vollkorn nicht nur gesund, sondern auch locker, saftig und ein Genuss sein können. Sein Anspruch: sie sollen Gebäcken aus Typenmehlen „in nichts nachstehen.“ Mission accomplished.

Essigbrätlein

Weinmarkt 3
90403 Nürnberg
Chef: Yves Ollech
Kapazität / Sitzplätze: 30
Mitarbeiter: 9

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