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5. Chef's Talk

No Shows, Personalmangel und fehlende Esskultur beschäftigen Spitzenköche

Diskussion zwischen Thomas Imbusch, Paul Ivic, Thomas Kellermann, Julia Komp, Dirk Luther und Billy Wagner

Personalmangel, sogenannte No Shows, durch Gäste, die trotz Reservierung nicht erschienen und die fehlende Esskultur sind weiterhin wichtige Diskussionsthemen in der Fine-Dining-Branche. Das wurde beim fünften Chef’s Talk deutlich, der im kürzlich in Hamburg eröffneten Restaurant 100/200 von Thomas Imbusch stattfand. Mit ihm saßen erstmals sechs Personen auf dem Podium des Chef’s Talk: Thomas Kellermann  (Restaurant Dichterstub´n, Tegernsee), Julia Komp (Schloss Loersfeld, Kerpem), Dirk Luther (Restaurant Meierei, Glücksburg), Billy Wagner (Sommelier und Gastwirt, Nobelhart und Schmutzig, Berlin) und Paul Ivic (TianRestaurant, Wien).

No Shows: Gäste lügen “knallhart“

Imbusch berichtete zu Beginn der Diskussion von den bisher positiven Erfahrungen mit dem Ticketsystem, bei dem Gäste ihre Plätze in seinem Restaurant vorab wie Theater- oder Kinokarten kaufen. Bei seiner vorherigen Arbeitsstelle, im Madame X von Tim Mälzer, habe es teilweise 35 Prozent No Shows gegeben - für ihn als Selbständiger ein wirtschaftliches No Go. Durch das Ticketsystem will er den Gästen auch den Wert seiner Arbeit vermitteln. „Das gilt es zu würdigen“, so Imbsuch. Darüber hinaus habe das Ticketsystem Liquiditätsvorteile, die auch seine Bank „sehr glücklich“ machten.

Paul Ivic berichtete, dass er sich aufgrund der Absicherung einer Reservierung durch Kreditkartendaten Beleidigungen anhören müsse. Schwierig seien auch die Concierges mancher Hotels, die für ihre Gäste Plätze reservierten: „Je besser das Hotel ist, desto sicherer kannst du dir sein, dass der Gast zu 90 Prozent nicht kommt“, sagte Ivic. Inzwischen versuche er Reservierungen bestimmter Hotels zu vermeiden. Zumindest in Österreich hält Ivic das Problem für selbstverschuldet. „Man hat gesagt, der Gast ist der König, aber Gast ist der König, wenn er an meinem Tisch sitzt, wir ihm ein schönes Erlebnis geben und der Gast muss dafür bezahlen. Das ist überlebensnotwendig“.

Das Berliner Nobelhart & Schmutzig verlangt eine Stornierungsgebühr, wenn eine Reservierung nicht 48 Stunden im Voraus abgesagt werde. Es gehe darum, den Gast, den man nicht kenne, klare Regeln aufzuerlegen, sagte der Betreiber des Restaurants, Billy Wagner. „Viele Gäste lügen dir knallhart ins Gesicht, so viele Katzen und Hunde, die überfahren wurden und Omas, die im Krankenhaus liegen, gibt es gar nicht.“

„Nicht wie Sklaven arbeiten“

Julia Komp aus dem Schloss Loersfeld in Kerpen berichte vom Personalproblem, dass sich weiter zugespitzt habe. „Es gibt eine Krise. Jeder von uns merkt, dass man kein Personal bekommt, egal wie gut man als Arbeitgeber ist.“ Problematisch seien unverändert die Arbeitsbedingungen: „Die jungen Leute wollen auch nicht wie Sklaven arbeiten“, sagte die Sterneköchin. Sie selbst habe sich noch um einen guten Ausbildungsplatz bemühen müssen, heute sei es „egal, was für ein Bewerber kommt, man muss den eigentlich nehmen, sonst steht man irgendwann alleine da.“

Aus Sicht von Thomas Kellermann muss die Branche die Arbeitsbedingungen weiter verbessern, auch wenn sich bereits einiges geändert habe. Der einst raue Ton in der Küche gehört nach seinen Worten schon länger der Vergangenheit an. Auch die Bezahlung und Arbeitszeiten hätten sich verbessert, andere Berufe hätten auch negative Seiten, ergänzte Dirk Luther. „Der Beruf bringt Spaß und man kann sich entwickeln. Ich versuche meine Mitarbeiter mitzunehmen. Wir müssen die positiven Seiten mehr herausstellen“, sagte der Zwei-Sternekoch. Dem pflichtete Billy Wagner bei: „Es gibt ein Umdenken“. Er habe bei seiner Existenzgründung viel darüber nachgedacht, wie er sein Restaurant wirtschaftlich betreiben könne. Dazu gehört für ihn auch ein konstantes Team. „Wir haben einen Ort, an dem wir wirklich sein wollen. Das merkt man bei uns, dass die Menschen, die bei uns arbeiten, eine Frische und Leichtigkeit haben.“

Julia Komp, die an zahlreichen Wettbewerben, unter anderem mit der Koch-Nationalmannschaft teilgenommen hat, betonte, dass es viel Positives über den Beruf zu sagen gebe, aber das komme nicht bei jedem Jugendlichen an. „Ich war selbst auch faul“, entgegnete Paul Ivic. Für ihn geht es darum, jungen Leuten aufzuzeigen, was sich erreichen lasse, mit einem „Handwerk, das sehr viel wert ist“ und mit dem man „Menschen eine Freude bereitet“. Für den österreichischen Sternekoch hat das Thema Arbeitszeiten eine gewisse Ambivalenz. Wer nicht eine gewisse Zahl an Stunden investiere, komme beruflich nicht voran. „Ohne Kämpfen geht überhaupt nichts“, aber es sei Aufgabe der Chefs, darauf zu achten, dass junge Mitarbeiter nicht verheizt werden. Paiul Ivic betonte, dass junge Küchenchefs ihr Handwerk beherrschen, aber sie "wissen nicht, wie man Menschen führt. Das ist auch ein Handwerk, das man lernen muss.“

Thomas Kellermann sprach sich dafür aus, darauf zu achten, dass es auf für ältere Mitarbeiter attraktiv sei, als Postenkoch zu arbeiten. „Nicht jeder wird Spitzenkoch oder Küchenchef“, für einen guten Postenkoch im Alter von 35 oder 40 Jahren müsse es Arbeitsbedingungen geben, die sich mit den Bedürfnissen etwa an ein Familienleben vereinbaren ließen. Thomas Imbusch hält es auch für möglich, dass es in der Küche künftig vermehrt Teilzeit-Arbeitsverhältnisse gibt. Er habe gerade zwei Mitarbeiter auf 30-Wochenstundenbasis eingestellt. Wenn es die wirtschaftliche Entwicklung zulässt, will er auch ausbilden, um die Begeisterung für den Beruf weiterzugeben, denn „was wir machen ist eine Lebenseinstellung.“

Keine Politik für Esskultur

Auch der fehlende Stellenwert der Esskultur beschäftigt die Diskussionsteilnehmer. Thomas Kellermann beklagte den Verlust der Wirtshauskultur, die er als „Teil unseres Erben und der Identität“ bezeichnete. Das sei auch ein politisches Problem. „Die Vorgaben und die nötigen Investitionen müssen von der Politik geleistet werden“, sagte Dirk Luther. Er forderte auch die Aufhebung der 7- und 19%-Mehrwertsteuerregelung. „Kaufe ich in der Stadt eine Pizza auf die Hand, zahle ich 7% Mehrwertsteuer – gehe ich in ein Restaurant zahle ich 19%. Das verstehe ich bis heute nicht. Das ist auch ein Grund, warum die Städte immer mehr 'to Go' Angebote haben und immer weniger Restaurants.“

Paul Ivic sieht die Verantwortung auch bei den Küchenchefs. „Die Politik kann natürlich etwas tun. Aber auch als Küchenchef kann man etwas tun. Indem wir Rückgrat zeigen und keine Ware servieren, die minderwertig ist. Ein Koch ist kein Tellerarchitekt, sondern ein Koch hat die Kochjacke von den Medizinern überreicht bekommen. Wir müssen den Gästen zeigen, was Produkte, Gewürze, bewirken. Wir können die Verantwortung nicht abgeben, wir müssen uns selbst engagieren“, entgegnete er. 

„Politisch wird nichts getan, dass es eine Esskultur gibt“, sagte Billy Wagner. Aussagen zu dem Thema gebe es von keiner Partei. Der Politik gehe es nur um Subventionen und Produktsicherheit. Aus seiner Sicht liegt die Verantwortung gleichermaßen bei Produzenten und Konsumenten: „Ich habe manchmal das Gefühl, jemand möchte, dass wir das Geld für was anderes ausgeben und nicht für Essen.“

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83700 Rottach-Egern
Chef: Thomas Kellermann
Kapazität / Sitzplätze: 40
Mitarbeiter: 10
+49 (8022) 666 200

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Meierei Dirk Luther

Alter Meierhof Vitalhotel
Uferstr. 1
24960 Glücksburg
Chef: Sebastian Buchta
Kapazität / Sitzplätze: 26
Mitarbeiter: 14
+49 (4631) 619999

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Nobelhart & Schmutzig

Friedrichstr. 218
10969 Berlin

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Schloss Loersfeld

Schloss Loersfeld
50171 Kerpen
Chef: Georgio Mimisa
Kapazität / Sitzplätze: 80
Mitarbeiter: 13
+49 (2273) 574 66

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