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Christian Krüger und der Bocuse d'Or

Der Wettbewerb Bocuse d'Or trägt nicht nur den Namen des bekanntesten Kochs der Welt, er ist auch von Paul Bocuse ins Leben gerufen worden und der wohl renommierteste Kochwettbewerb der Welt. Der Bocuse d'Or wird alle zwei Jahre ausgetragen. Kandidaten aus 20 Ländern haben sich über nationale und kontinentale Wettbewerbe für das Finale in Lyon qualifiziert. Vier wurden zusätzlich eingeladen oder erhielten eine Wild Card. Beim Wettbewerb müssen die Bewerber ein Fisch- und ein Fleischgericht auf Platten präsentieren. Insgesamt hat Deutschland bei dem Wettbewerb bislang eher mittelmäßig abgeschnitten. 
Hans Haas, Patrik Jaros und Claus Weitbrecht gewannen 1987, 1995 bzw. 2003 Bronze, während Länder wie Frankreich oder die skandinavischen Staaten den Wettbewerb schon mehrfach für sich entscheiden konnten. Dieses Mal macht sich Christian Krüger Hoffnung auf einen der vorderen Plätze. Er betreibt in Mannheim das Restaurant Axt, für das er in der Michelin-Ausgabe 2014 erstmals einen Stern erhielt. Außerdem hat er in den vergangenen zehn Jahren an einer Reihe von Wettbewerben erfolgreich teilgenommen. Wir haben mit ihm über das anstehende Finale gesprochen:

Bocuse d'Or-Kandidat Christian Krüger: "Was wir geschmacklich entwickelt haben, ist die Bombe"

Restaurant-Ranglisten: Ihr Restaurant Axt hatte am vergangenen Samstag das letzte Mal geöffnet, bevor das Finale am 27. und 28. Januar stattfindet. Die heiße Trainingsphase hat also begonnen. Wie haben Sie aber in den vergangenen Wochen, während des normalen Restaurantbetriebs inklusive Weihnachtsgeschäft, das Training organisiert?

Christian Krüger: Das lief so zwischendurch, nach einem 14- bis 15-Stunden-Tag habe ich abends noch mal zwei, drei, vier Stunden trainiert. Das ist schon eine sehr große Belastung.

Was passiert jetzt bis zum Finale?

Es geht jetzt ums Feintuning, die Gerichte stehen soweit. Wir haben von der Metro in Mannheim einen Eins-zu-Eins-Nachbau der Küche bekommen, wie sie in Lyon stehen wird. Da trainieren wir jetzt die kompletten Abläufe. In meiner Restaurantküche konnte ich nur einzelne Schritte probieren und die Zeiten nehmen. Also, wie lange dauert es, eine Terrine einzusetzen oder etwas zu schneiden. Jetzt bündeln wir das Ganze und dann sehen wir, wie wir mit der Wettbewerbszeit von fünfeinhalb Stunden hinkommen. Wir achten jetzt darauf, wo es noch Probleme gibt. Zum Beispiel wenn mein Commis ein Gerät zur gleichen Zeit braucht, wie ich, dann schauen wir, dass wir die Arbeitsschritte so schieben, dass es passt.

Das heißt, Sie erarbeiten jetzt einen Fahrplan für den Ablauf des Finales?

Richtig. Wir erfinden jetzt nichts mehr neu. Es geht nur um den Ablauf. Mein Commis, Christian Döhner, ist jetzt schon seit zehn Tagen bei mir. Sein Arbeitgeber, das Seehotel Niedernberg, hat ihn freigestellt. Er ist jetzt jeden Tag damit beschäftigt, seine Aufgaben bis ultimo zu trainieren. Zum Beispiel muss er ein Kilogramm Pilze in kleine Würfel schneiden. Anfangs brauchte er dafür eine Stunde, jetzt ist er bei 30 Minuten und wir wollen auf 25 Minuten kommen.

Was läuft schon gut, was muss noch besser werden?

Mit den Geschmacksbildern bin ich sehr zufrieden. Was wir da entwickelt  haben, ist vom Geschmack her die Bombe. Das beruhigt schon ungemein. Mit den Zeiten müssen wir zwar noch schauen, aber ich bin noch entspannt. Wenn wir jetzt drei Tage vor dem Wettbewerb wären, dann hätte ich schon Bauchschmerzen, denn nach den Statuten ist es so, wenn man nicht in der Zeit fertig wird, darf man erst als letztes Team anrichten. Aber dann schmeckt es natürlich nicht mehr so gut wie frisch aufgeschnitten und ohne Warte- und Standzeiten.

Sie haben neben Ihrem Commis noch weitere Unterstützer, also ein richtiges kleines Team. Wie sind die Aufgaben verteilt?

Verglichen mit anderen Ländern sind wir wirklich ein kleines Team. Andere sind mit 20 oder 30 Leuten am Start. Die Kandidaten aus Schweden oder Norwegen müssen nicht mehr arbeiten gehen und konnten sich fast zwei Jahre lang nur um den Bocuse d’Or kümmern. Das wird von den Sponsoren finanziert. Bei uns ist das alles kleiner gehalten. Mit dabei ist erst mal mein ehemaliger Lehrer aus der Hotelfachschule Heidelberg Erik Pratsch. Er unterstützt mich jetzt als „Promotion Manager“. Von der Wettbewerbsorganisation wird es so gefordert, dass es diese Position im Team gibt. Ludwig Herr ist der Coach. Er war schon drei Mal auf dem Wettbewerb dabei, als Commis und er ist selber für Deutschland angetreten. Der hat ein unglaubliches Wissen, was so nebenher läuft. Gut Kochen allein, bringt nicht den Sieg. Man muss auch so ein bisschen Organisationstalent und Wissen über den Wettbewerb haben und das hat er. Außerdem ist noch Moses Ceylan dabei. Er war ja bis vor kurzem Küchenchef bei Juan Amador. Er kümmert sich mehr um die Kreativarbeit. Das heißt, er ist mit mir in der Küche und wir entwickeln zusammen die Geschmacksbilder und die Techniken. Und der Präsident des deutschen Wettbewerb, Patrik Jaros, kümmert sich um das Organisatorische.

In Lyon werden Sie auch unterstützt werden. Aus Mannheim fährt am Tag des Finales ein Bus früh am Morgen los, um Sie beim Wettbewerb zu unterstützen. Hilft das? 

Schon. Beim deutschen und beim europäischen Wettbewerb in Stockholm, hatten wir nach etwa fünf Stunden ein kleines Loch, so ein kleiner Schwächeanfall vom Kopf her. Da fragt man sich schon zwischendurch, was das alles bringt. Wenn man dann von Leuten mit Fahnen und Täterätä angefeuert wird, verfliegt das ganz schnell. Sie haben ein bisschen Nationalstolz, sehen die Fahne, das motiviert und daher ist diese Unterstützung für mich schon sehr wichtig.

Wie gesagt, andere Länder versuchen mit einem viel größeren Etat und mehr personellem Aufwand den Sieg praktisch zu erzwingen. Wie fühlen Sie sich damit, wenn die Ausgangslage so unterschiedlich ist, dass man realistischerweise sagen muss: Sie haben „nur“ Außenseiterchancen im Wettbewerb?

Das ist schon schwer und auch eine Kopfsache. Wenn man hört, dass Dänemark zwei Millionen Euro zur Verfügung hat und bei uns sind es 50.000 Euro, dann sind das schon Welten, die dazwischen liegen. Da denke ich schon, oh, mein Gott, wir müssen unwahrscheinlich Gas geben. Mittlerweile habe ich aber gar nicht mehr so viel Angst. Beim europäischen Vorausscheid in Stockholm hatte ich die Befürchtung, dass die wirklich Besseres auftischen können. Aber wenn man dann die Geschmacksbilder sieht und das mit unserer Präsentation vergleicht, liegen da keine Welten dazwischen. Da habe ich mich auch schon gefragt, lernen die erst Kochen mit zwei Millionen Euro? Wofür verballern die zwei Millionen Euro?

Woran liegt das, dass in anderen Ländern Sponsoren andere Etats ermöglichen, als hier bei uns?

Der Wettbewerb ist in der Sternegastronomie bekannt, aber er steht nicht besonders in der Öffentlichkeit. Bei uns läuft der Wettbewerb eher still und heimlich ab. Wenn ein großer Fernsehsender daran beteiligt wäre, dann würde es natürlich auch mehr Sponsoren geben. Das ist kein Vergleich zu Frankreich. Da haben wir uns als Finalisten eine Bäckerei angeschaut. Bei uns in Deutschland wäre das so, dass sie da vorbei schauen und gut. Aber in Frankreich, da machen die ein Trara daraus, nur weil man Bocuse d’Or-Finalist ist. Das ist der Wettbewerb schlechthin. Und in Skandinavien wird auch ein Hype daraus gemacht.

Sie sind ein erfahrener Koch, was Wettbewerbe betrifft. In den vergangenen zehn Jahren haben Sie praktisch in jedem Jahr an einem teilgenommen. Was ist der größte Unterschied zur „normalen Arbeit“ in Ihrem Restaurant?

Eigentlich gibt es da keine gewaltigen Unterschiede. So wie ich Abläufe für den Wettbewerb einstudiere, mache ich das ja im Restaurant auch. Jeder Bon, der reinkommt, ist vom Ablauf auch so, etwas wie ein Wettbewerb.

Das heißt, mit einer Wettbewerbsteilnahme kann man nicht nur den eigenen Bekanntheitsgrad steigern, sondern es bringt auch etwas für die tägliche Arbeit?

Beim Bocuse d’Or und auch bei anderen Wettbewerben werden ja häufig Produkte vorgegeben, mit denen man arbeiten muss. Da können Sie natürlich nicht sagen, wir machen da jetzt beispielsweise wieder eine Terrine. Das wäre ja altbacken. Also müssen Sie sich was Neues einfallen lassen. Bei dieser Entwicklungsarbeit lernen Sie so viel neues, dass sich für mich die Teilnahme immer ausgezahlt hat. Auch Kreativität muss man lernen.

Werden Sie die Gerichte, die Sie für den Wettbewerb erarbeitet haben, auch in Ihrem Restaurant anbieten?

Jetzt kann ich es verraten: Teile der Wettbewerbsgerichte sind in den vergangenen Monaten schon à la Carte 'rausgegangen. Aber nicht das komplette Programm, denn die Konkurrenz schläft nicht. Wenn da Fotos gemacht und bei Facebook gepostet würden, wäre das nicht so gut. Die anderen gucken schon, wer macht was. Aber für mich war nicht nur das Statement der Fachleute, sondern die Meinung der normalen Kunden wichtig: Was hat die Gäste überrascht? Wie wirkt das auf sie? Das, was wir im Restaurant eingesetzt haben, kam immer positiv an und das beruhigt dann auch schon und zeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind.

Der Bocuse d’Or ist sehr renommiert. Wenn Sie das Finale hinter sich haben, hat sich dann das Thema Wettbewerbe für Sie erledigt?

Nach jedem Wettbewerb sagt man sich, das war’s, ich konzentriere mich aufs Restaurant. Aber es kann gut sein, dass ich in zwei Jahren anders denke und noch mal mitmache. Aber ich weiß es noch nicht.

Christian Krüger startet am 28. Januar um 8 Uhr als erster Kandidat des zweiten Wettbewerbstages. Wir wünschen ihm und seinem Team viel Erfolg! 

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