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Restaurant des Monats März 2011

arrow left Historisches Eck, Regensburg, Deutschland arrow right

 
Adresse: Watmarkt 6, 93047 Regensburg
Küche: Regional

Als ich jüngst in Regensburg war, trieb es mich, ein ganz besonderes Gasthaus aufzusuchen, volksmundig das HE, das Historische Eck. Was sonst in einer Stadt, die nur so wimmelt von Historie. Aber Gründe für einen Besuch gibt es mehr. Das Haus birgt unter anderem eine bezaubernde Liebesgeschichte. Als Morgengabe hat es der Unternehmer Egon Scheubeck seiner Liebsten geschenkt, er hatte sie einstmals dort in der „Striezelbäckerin“ kennen gelernt. Jahre später, nach dem Weggang vom Sternekoch Rüdiger Forst, stand das Restaurant neun Jahre lang leer, bis 2009 der junge Koch, Anton Schmaus, die Gelegenheit und den verwaisten Gourmetkochlöffel ergriff. Die Auflage der jetzigen Hausbesitzer verlangte es, weiterhin eine gehobene Küche im Parterre installiert zu lassen.

Gut hat er daran getan, der Anton Schmaus, 1981 geboren in Regen. Schon nach kurzer Zeit wurde er mit seinem Restaurant in den kulinarisch hochkarätigen Kreis der Jeunes Restaurateurs gehoben (man beachte die erschwinglichen Twenüs für Gourmets unter 30!) und fast gleichzeitig mit einem Stern bestrahlt. Den hegt und pflegt er, der Glanz soll solide beständig sein.

 Leicht tat er sich nicht mit der Entscheidung für den Standort Deutschland. Er hatte nach seiner Lehre bei Franz Feckl in Ehningen überwiegend im Ausland gearbeitet, immer unter Sterneköchen. In der Schweiz bei Dalsass und Talvo, in Stockholm, zuletzt in New York im Per Se. Da locken sirenenhaft die Küchen der Welt, aber er unterschätzt die Wurzeln nicht. Sie sind Basis und vertrautes Handwerk für den Hotelier- und Gastwirtsohn in der 14. Generation.

 Regensburg gewinnt auf dem Treppchen zur Selbständigkeit. Diese Stadt ist wunderbar, ihre Superlative sind unerschöpflich: Eine der ältesten Städte Deutschlands, die viertgrößte in Bayern und die größte besterhaltene mittelalterliche, sie ist als Welterbe anerkannt mit drei Hochschulen. Im gotischen St. Peter jubilieren die Domspatzen, die steinerne Brücke führt über die Donau und last not least, die nördlichste Stadt Italiens bietet mediterranes Flair.

 Somit ein lebendiges Forum für einen jungen Koch, der sich zeitgemäß ausprobiert, aber am Boden bleibt und die regionalen Produkte exemplarisch in sein Monatsthema einbaut. „Unsere Lieblingsgerichte“ kocht das fünfköpfige Team im März. Da darf man sich auf Bekanntes freuen, das neu interpretiert daherkommt. Mit der angenehmen Sitte der preiswerten Mittagsmenüs lädt Schmaus zum Schmausen und Schnuppern seiner Kreativität.

  Der Genuss beginnt bereits im hellen behaglich - sakralen Restaurant zu sitzen, überdacht von einem Kreuzgewölbe als Zitat der ehemaligen Kapelle, aber ohne den ehrwürdigen Muff, weiß verputzt, kein Gastrodesign, die niederen Raumteiler mit südlichen Kräutern bepflanzt, der Blick durch nichts abgelenkt bis hin zur spartanischen Theke. Und da, in Majuskeln an der Wand eine Sentenz von Thomas Keller, dem ehemaligen Chef aus N.Y.: “Wenn wir erkennen, dass das perfekte Essen nur eine Idee davon ist, dann wird der wahre Zweck, Perfektion erreichen zu wollen, klar: Den Gast glücklich zu machen, das ist das Einzige, um das es uns beim Kochen geht.“

 Schon beim selbstgebackenen Brot mit Humus erlebe ich das Glück, nicht nur am eigenen Gaumen, sondern akustisch am Nebentisch. Die blonde Dame ist  beim Duett vom Rind angelangt, und ihre refrainartigen Hmms steigern sich in einem nie gehörten Crescendo. Meine Neugier wird absolut befriedigt: Raffiniert der Waller - bedeckt von hällischen Schweinekrüstchen. Himmlisch. Dazu zarte Weißkrautfädchen mit Apfel. Poltinger Lammschulter in knuspriger Senfkruste, Rettichvariationen lauwarm. Die Jus tupfe ich etikettewidrig mit Brot auf. Unbesonnen wagte ich mich an das Menü, uneingedenk, dass Schmaus als Oberpfälzer die Niedlichkeit der modernen Portionen ignoriert. Zu spät, auch das Dessert hat seinen Auftritt, deliziös und „sauguad“ an: Ein Quarkknödelchen, gefüllt mit Powidl und Mohnhäubchen, Buttercrispies, Birneneis.

 Meine Hmms sind stumm und andächtig. Meine Wertschätzung an die freundlichen Servicedamen hier ausdrücklich.

 Regensburg, die Stadt der kurzen Wege als weiterer Superlativ, macht es einem leicht, das köstliche Menu nachwirken zu lassen. Vom Watmarkt zur Kramgasse, vorbei an der Tändlergasse, übern Krauterermarkt und schon bist du am Domplatz.

Wenn du aufmerksam nach oben schaust, dich streckst und reckst, immer mehr in die Höhe wächst, dann kannst du vielleicht neun mal neunundneunzig Schneider auf der Turmspitz tanzen sehen.

 Und du wirst sehr glücklich sein, dass dein Essen delikater war als deren gebratner Floh.

Autor: Margret Buchner

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